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die Zünfte fährt. Wie die Ferne sich ihnen öffnet. Wie sie neben der Dürftigkeit von Werkstatt und Trinkstube nun auch Großes erleben. Jetzt können sie in ihren Archiven buchen, daß sie ausgezogen seien „zu Rettung des Herzogs von Mailand“; daß „die Schlacht geschach zu Navaren in der Lombardy wider den Frantzosen und gewonnen wir die Schlacht, Gott sy gelobt!“ u. dgl. m. Die Kriegsrötel und Reisbüchlein, die überall in den Zünften jetzt angelegt werden, sind Dokumente dieser stürmischen und mächtigen Zeit. Nur Listen zeigen sie uns; aber die Tatsächlichkeit des ganzen Ereignisses, die jeden einzelnen Vorgang begleitende Empfindung kommen uns heute noch aus ihnen entgegen, in manchen Namen von uns wohl bekannten Künstlern Buchdruckern Kaufleuten Gelehrten usw. Wir suchen das Leben überhaupt uns vertraut zu machen, das in den jährlich wiederkehrenden Aushebungswochen Stadt und Land erfüllt. Weil Kriegszeiten sind, so ist Betreibungsstillstand. Mancher macht vor dem Abmarsche sein Testament. Im Banne Stehende dürfen nicht Dienst tun; aber auf Verlangen des Rates läßt der Bischof Solchen jetzt die Absolution geben, damit sie ziehen können.

Auch die mancherlei Nötigungen und Stimmungen gehören hiezu, die Einzelne zurückhalten. Sobald es sich nicht mehr um freiwilligen Dienst, sondern um Ausgehobenwerden handelt, ist Raum für Stellvertretung. Zwar soll nur Derjenige, der eidlich dartut, „lybs halb“ nicht selbst dienen zu können, einen Söldner stellen dürfen. Aber dieser Grundsatz hält nicht stand, und die Aushebungsrötel der spätern Heerzüge sind angefüllt mit Vertretungen dieser Art, durch alle Klassen hindurch vom vornehmen Kaufherrn bis zum Handwerker. Im Dijonzug z. B. haben von zweihundertvierundzwanzig ausgelegten Städtern einhunderteinundvierzig Ersatzleute angemeldet; im zweiten Marignanoaufgebot sind einhundertsiebzig Söldner auf zweihundertachtundsechzig Zünftler und Gesellschafter. Auch in den Ämtern der Landschaft kommt diese Stellvertretung zuweilen vor. Von besonderem Interesse ist das Verhalten der Stubenherren. In den Zügen der frühern Zeit (Bellenz Genua Chiasso) haben stets einige Edelleute als Angehörige der Hohen Stube Dienst getan. Im Dijonzug sodann sind ihrer vier ausgelegt; aber von Diesen sind drei durch Söldner ersetzt, und der vierte, einzig persönlich dienende, ist der Hauptmann des Zuges Grieb. In den drei Marignanoheerhaufen aber kommen auf die zehn von der Hohen Stube Ausgelegten acht Söldner!

Welcher Art sind die Stellvertreter? Sie stammen zum Teil aus der Basler Landschaft, zum Teil aus schweizerischen Gebieten; auch Basler selbst

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Rudolf Wackernagel: Geschichte der Stadt Basel. Dritter Band. Helbing & Lichtenhahn, Basel 1924, Seite 110. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wackernagel_Geschichte_der_Stadt_Basel_Band_3.pdf/131&oldid=- (Version vom 1.8.2018)