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erfüllt alle Forderungen. Der Rat gewinnt Diesen in der Tat; von 1520 an erscheint er als Mitglied der Kanzlei. Er ist der oft erwähnte „Doctor Gladi“, notre secétaire docteur Claude, protonotarius urbis Basiliensis.

Aber das sind Nebenfiguren. Alles Interesse sammelt sich auf Johann Gerster. Dieser kluge, jeder Lage gewachsene Mann war durch vier Jahrzehnte im Rathause heimisch. Er hatte ehedem, in einem andern Basel, seine Arbeit mit dem Ordnen des Archivs begonnen; jetzt stand er inmitten des tätigsten politischen Lebens. Zum Rats- und Kanzleigeschäft, zur Arbeit in Delegationen Kollegien Schiedsgerichten kamen große Gesandtschaften; was wir ihm dabei wohl zuzuerkennen haben, waren nicht allein Fleiß sowie Geschick der Formulierung, sondern auch originale Gedanken. Gerster gehörte zur Papstpartei. Daher seine Beziehungen zu Schiner, mit dem er etwa an eidgenössischen Tagen geheime Besprechungen hatte. Daher sein Lob durch den Legaten Pucci: „Dieser Basler Stadtschreiber ist zuverlässig und brauchbar wie Wenige in der Schweiz. Er ist völlig der Unsrige. Wer in die Schweiz geht, verlasse sich auf ihn; er wird gut bedient sein.“ Daß Gerster diese Verbindung für sich und seine Söhne zu nützen suchte, ist natürlich. Aber bezeichnend sind auch seine Beziehungen zur Herrschaft Österreich in früherer Zeit und seine privaten Mitteilungen an diese Macht. Zum Nutzen oder zum Schaden Basels? Es war ein Verfahren gleich demjenigen, das sich auch Gersters Schwiegersohn und Substitut Marquard Müller in der Rötler Sache erlaubte. Wir haben es nicht „vom Standpunkte moderner Moral und Dienstpragmatik aus“ zu verdammen; allenthalben wurde damals so gehandelt. In der Reihe der Führer unsrer Stadt zur Zeit der päpstlichen Allianz und vor dem Bunde mit Frankreich, zur Zeit des Kampfes mit Bischof und Hoher Stube, zur Zeit einer einzigen und Großes planenden Territorialpolitik, ist Gersters Geist und Gestalt nicht zu missen. Dem Staate von hohem Werte, war er für Manche ein Gegenstand der Furcht, ja des Widerwillens. Eher solchem Respekt als eignen literarischen Neigungen mochte er verdanken, daß Johannes Adelphus Müling ihm 1520 sein Leben des Barbarossa dedizierte; zur gleichen Zeit erhob ein andrer Humanist, Bürer, anläßlich der Denunziation eines renitenten Priesters durch Gerster bittre Klagen über Diesen als über den Feind aller viri boni probi et docti.


Diese Regentengruppe als Ganzes hat Geschlossenheit, trotz starken persönlichen und politischen Abweichungen. Die päpstliche Partei, anfangs durch Offenburg und Grieb, später durch Meyer Meltinger Gerster geführt,

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Rudolf Wackernagel: Geschichte der Stadt Basel. Dritter Band. Helbing & Lichtenhahn, Basel 1924, Seite 124. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wackernagel_Geschichte_der_Stadt_Basel_Band_3.pdf/145&oldid=- (Version vom 1.8.2018)