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Die Basler Zeit des Rhenanus, 1511 beginnend und anderthalb Jahrzehnte dauernd, vollzog sich stets im Gleichmaß, ohne starke äußere Bewegung. Nach dem mannigfachen Gähren der frühem Jahre ward sie die Zeit ruhigen Reifens zum Bleibenden und Bedeutenden.

Allem voran steht dabei das Verhältnis Rhenans zu Erasmus. Wie Dieser nach Basel gekommen war, wurde ihm rasch nichts unentbehrlicher, nichts zusagender als der tägliche Umgang mit dem um zwanzig Jahre jüngeren Rhenan, der das schärfste Urteil in wissenschaftlichen Dingen und dabei eine so „kluge“ Bescheidenheit zeigte. Dessen „exquisite“ Gelehrsamkeit und untrüglicher Scharfsinn imponierten ihm ; aber noch stärker fesselte ihn dessen Gesinnung. Seinen pythagoräischen Freund, seine Psyche nannte er ihn. Eine Freundschaft dieser beiden Geister erwuchs, die nie gestört wurde, stets auf derselben Höhe blieb.

Rhenanus glänzte auch neben dem großen Licht Erasmus. Seine Gelehrsamkeit erhob ihn, mehr noch „seine philologische Beanlagung, durch die er seiner Zeit weit voraus war“. Dazu kam die stille und unwiderstehliche Macht seiner klaren und bis in alle Tiefen ächten, leidenschaftslosen Art. Außerdem hatte man namentlich auswärts das Gefühl, daß neben dem incommensurabeln und im Grund aller Welt gehörenden Erasmus die dauernd zusammenhaltende Kraft des Basler Humanismus Rhenanus sei.

Die Form des Lebens war für Diesen zunächst gegeben durch seine Beziehungen zu Buchdruckern, namentlich zu Froben. Daneben hatte er ein freies Gelehrtendasein. Ohne die Auszeichnung und die Vorteile, aber auch ohne die Hemmnisse des akademischen Amtes. Er war nur auf sich gestellt. Alles aus sich allein aufzubringen gewillt und befähigt. In dieser Freiheit aber war er durch eine imposante Tätigkeit der Diener seiner Pflicht. Von seiner frühesten Basler Publikation an entfaltete er — zunächst mehr Editor und Exeget als Autor — die staunenswürdige Kraft seiner kritischen Begabung und den Reichtum seiner Studienergebnisse. Und doch fanden die Freunde, daß er mit diesem Reichtume zu haushälterisch umgehe, zu wenig von sich gebe.

Umrauscht von steigendem Ruhm und mitten in der geistig bewegtesten Umgebung scheint Rhenanus seine Schlichtheit bewahrt zu haben. Er verlangte nur eines: Ruhe für sein Arbeiten. Er war nur glücklich, wenn er für sich sein konnte. Nicht als eigensüchtiger Stubengelehrter; sein Biograph Jacob Sturm rühmte an ihm, daß er nicht studierte um zu studieren, sondern ut prodesset rebus mortalium, um der Menschheit zu dienen; diese wenigen Worte zeigen die Weite des Kreises, der in Rhenans Arbeit

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Rudolf Wackernagel: Geschichte der Stadt Basel. Dritter Band. Helbing & Lichtenhahn, Basel 1924, Seite 146. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wackernagel_Geschichte_der_Stadt_Basel_Band_3.pdf/167&oldid=- (Version vom 1.8.2018)