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Wilhelm Textoris, Johann Heynlin gewirkt hatten. Indem sie jetzt, im Jahrzehnte des Übergangs zu neuen kirchlichen Zuständen, durch einen der Führer des Übergangs versehen wurde, erlebte sie ihre bewegteste Zeit. Von dieser Predigertätigkeit Capitos werden wir an andrer Stelle hören. Dasselbe Jahr, das ihm die Dompredikatur gab, machte ihn auch zum Angehörigen der Universität. Er war 1515 immatrikuliert und trat, schon von Freiburg her Doktor der Theologie, in diese Fakultät ein. Er hielt Vorlesungen. 1517 wurde er Rektor, 1518 Dekan; im selben Jahre war er auch Vizekanzler der Universität.

Aber die geordneten Leistungen dieses Prediger- und Professorlebens waren eingefaßt in die Fülle freiesten wissenschaftlichen Ergehens und Wirkens. Schon die Mannigfaltigkeit der Studien, die Capito während seiner Universitätsjahre bemeistert hat, ist der Beachtung wert. Mit sechsundzwanzig Jahren erlangt er zu Freiburg die Würde eines Doktors der Medizin. Dann ergibt er sich dem Rechtsstudium. Bis zuletzt die Theologie seine Herrin wird; die Vorlesungen in diesem Fache, die er in Freiburg hält, werden erst durch die Bruchsaler Predikatur abgelöst. Er ist heimisch in allen Fakultäten. Nichts Befangenes, kein Beschränktsein auf nur eine Art und Richtung ist in Capito. Durch Alles hindurch, durch das kirchliche Wirken wie die gelehrte Tätigkeit, pulst der lebendigste Geist.

Von Capitos wichtigen Leistungen für die junge hebräische Wissenschaft wird noch zu reden sein; mit dieser Spezialkenntnis dient er jetzt namentlich dem Erasmus bei der Herausgabe des Neuen Testamentes. Er hilft auch bei der cratandrischen Edition des Gellius und gibt den Kastigatoren Frobens Auskunft, wenn sie ratlos sind und nicht mehr weiter können. Überall ist er der Bewegliche, der Eigenartige. In seinen akademischen Vorlesungen legt er das Hauptgewicht auf die Exegese. Aber auch außerhalb der Universität gibt er seine reichen Anregungen. Da ist Carinus sein Famulus, der junge Hartman von Hallwil sein Zögling; mit Bruno Amerbach zusammen liest er den Sophokles.

Sein Wissen stellt ihn stets in die vorderste Reihe. Am Orte selbst zählt er zu den Großen der Sodalitas, und Fernerstehenden erscheint er, neben Erasmus Melanchthon Zasius Hessus, als einer der Führer des deutschen Humanismus überhaupt.

Wichtig namentlich sind seine Beziehungen zu Erasmus. In einer Reihe von Briefen ist dieser Verkehr vor uns dargelegt; sie treten in ihrer besondern Art aus der Masse der erasmischen Korrespondenz hervor. Da finden sich die beiden Freunde zusammen in Ausblicken über die ganze

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Rudolf Wackernagel: Geschichte der Stadt Basel. Dritter Band. Helbing & Lichtenhahn, Basel 1924, Seite 149. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wackernagel_Geschichte_der_Stadt_Basel_Band_3.pdf/170&oldid=- (Version vom 1.8.2018)