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des nordischen Humanismus überhaupt, so muß er schon damals ein berauschendes Gefühl seiner selbst gehabt haben.

Diese Jahrzehnte, reich an Unstätigkeit, haben doch die Bedeutung eines nie abirrenden Weges zur Höhe. Erasmus gewinnt sich Freunde und Gönner an den mächtigsten Höfen, an den ersten Universitäten, in den Kreisen der Kardinale Prälaten Magistrate; allenthalben in wälschen und deutschen Landen sind Scharen von Gelehrten seine Bewunderer.

Im Besitze solchen Weltrufes kam Erasmus im Jahre 1514 nach Basel. Eine Romreise lag im Plan; aber zunächst galt Basel als Ziel. Das Letzte des Erasmus, eh er diese folgenreiche Reise antrat, war die Ablehnung der Bitte des Servatius Roger, ins Kloster zurückzukehren; großartig stellt er da der obscuren Mönchsexistenz sein Leben, seine Arbeit und seinen Ruhm gegenüber.

Was den Erasmus nach Basel zog, war der amerbachische Kreis und vor allem Froben, der vor Kurzem, die Aldina nachahmend, eine Ausgabe der Adagia veranstaltet hatte und überdies durch Franz Birkman in den Besitz des revidierten erasmischen Handexemplares dieses Werkes gelangt war.

Erasmus traf nach Mitte Augusts 1514 in Basel ein. In Straßburg und Schlettstadt war er gefeiert worden; hier in Basel hatte er nur Wenige — Rhenan Bruno Amerbach Lister — benachrichtigt und wurde durch Diese empfangen.

Nun sahen sie den längst Verehrten von Angesicht. Einen mittelgroßen Mann, das zierliche „Körperchen“ in weltliches Kleid gehüllt, aus dem Hellen Angesichte schauten unter halbgeschlossenen Lidern hervor blaugraue Augen. Er gewann die Freunde sofort durch die Gewalt seines Blickes, durch den leichten angenehmen Fluß seiner feinstimmigen Rede, durch seinen Geist.

Sofort ging Erasmus in das Haus zum Sessel und brachte dem Froben einen Brief des Erasmus, als dessen Boten und Bevollmächtigten er sich einführte. Froben verstand den Scherz. Hochbeglückt, alle Ehren erweisend, empfing er den Gast. Zwei Tage darauf, an einem durch die theologische Fakultät bereiteten Bankette, lernte Erasmus die Weisen Basels kennen; auch aus der Nachbarschaft hatten Bewunderer sich eingestellt. Voll Freude begrüßte Erasmus auch den Glarean. Er war überrascht, so viele hochgelehrte Männer hier beisammen zu finden. Im Hause Frobens wohnte er, und vor den Staunenden breitete er nun seine Schätze aus; er war beladen mit Manuskripten und erfüllt von großen literarischen Plänen.

Empfohlene Zitierweise:
Rudolf Wackernagel: Geschichte der Stadt Basel. Dritter Band. Helbing & Lichtenhahn, Basel 1924, Seite 155. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wackernagel_Geschichte_der_Stadt_Basel_Band_3.pdf/176&oldid=- (Version vom 1.8.2018)