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Cambrai. Er wird Mitglied des königlichen Hofrates in Brüssel. Sein großes Eigenes aber sind die Ausgaben des Sueton und der Kirchenväter Cyprian u. A., die neutestamentlichen Paraphrasen, die Colloquia; bezeichnenderweise beginnt er zu dieser Zeit auch die Publikation seiner Briefe.

Er steht auf der Höhe des Lebens. Es sind nicht nur die Jahre eigner universaler Geltung. Mächtiger müssen ihn ergreifen der Blick auf das rings ihn umgebende Blühen der Wissenschaften und der Gedanke daran, was er selbst dafür getan hat. Schon jetzt breitet sich vor ihm sein Lebenswerk, die Fülle persönlicher Erfahrungen, die Wirkung und Anregung nach tausend Seiten, die Menge der Veröffentlichungen, der pädagogischen und moralischen Traktate, der Stillehren, der kritischen Arbeiten, der Editionen und Kommentare, die der gelehrten und der gläubigen Welt breite glänzende Straßen geöffnet haben zum Altertum sowie zu einem reineren Christentum. In solchem Gefühle kann er jetzt dem Sapidus die Drangsale und Kämpfe seiner verlassenen Jugend schildern, den Freunden Bär und Wolsey den Geist seiner Studien bezeugen, ihnen darlegen, was er erstrebt und wie er zur Erreichung dieses Zieles gearbeitet habe.

Im November 1521 wird dann für den in Basel bleibenden Erasmus hier eine neue Zeit beginnen.

Von allen Seiten vernehmen wir das Urteil über Erasmus.

Durch einen Brief macht er berühmt, durch die Widmung eines seiner Werke vollends unsterblich; so Manche verlangen nach dem Glücke, daß Erasmus ihnen in seinen Briefen „Statuen errichte“, d. H. sie erwähne. Ihm drucken die Verleger Alles, unbesehen. Kein Autorname ist so beliebt wie der seine. Überall hin gehen seine Werke. Allenthalben verkünden Schüler und Gläubige seinen Ruhm, in Höfen Ratskollegien Universitäten Sodalitäten, in den kleinern Zirkeln abseits lebender Humanisten. Er ist der Mann, der in amtlichen Aufzeichnungen kaum eine Stelle gefunden hat und von dessen Wirkung doch alles Geistige der Zeit vibriert. Der durch ganz Deutschland als der große Präzeptor gefeiert wird und sein Reich noch weit über Deutschland hinaus hat. Er ist eine zentrale Erscheinung. In einem Zeitalter großer Gewaltunternehmungen, fürstlicher und kriegerischer Machtgestalten, leiblichen Gedeihens und Genießens übt dieses kränkliche Männlein Erasmus eine Weltherrschaft rein idealer Kräfte.

Aber wenn Begeisterung und Unterwürfigkeit in einer Fülle von Epitheten stammeln, — vom „Phönix Germaniens“, von der „Wonne des Erdkreises“ u. dgl. bis zum „Manne für sich“ —- so verwirrt das nur. In dem Flimmer gehen die scharfen persönlichen Züge unter. Wir sehen dabei

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Rudolf Wackernagel: Geschichte der Stadt Basel. Dritter Band. Helbing & Lichtenhahn, Basel 1924, Seite 157. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wackernagel_Geschichte_der_Stadt_Basel_Band_3.pdf/178&oldid=- (Version vom 1.8.2018)