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Seit Jahrzehnten saß Dieser im Domkapitel. Und nun, ein hoher Fünfziger, machte er sich wieder zum Schüler und lernte mit Begeisterung Griechisch. Die längste Zeit seines Lebens erschien ihm ohne Bedeutung und Reiz jetzt, da er ein neues Leben zu beginnen glaubte, da ein jugendliches Humanistenglück ihn erfaßte und schüttelte. Er redete nur von Erasmus, träumte von ihm, lebte in seinen Schriften.

Ob er sich freilich nicht zuweilen gestehen mußte, daß dies Alles im Grunde verspätet sei? Um so mehr trieb er seinen jungen Neffen Hartman in die Studien. 1516 ließ sich Dieser durch Ökolampad in der griechischen Grammatik unterweisen; mit Capito las er den Chrysostomus, den Origenes u. A. Daß ihm dann die Dragmata Ökolampads, die hebräischen Institutionen Capitos durch die Autoren gewidmet wurden, war vielleicht Verneigung vor dem hallwilischen Ruhme, vielleicht Äußerung von Wohlgefallen an dem jungen Edelmanne, der den Torheiten seiner Standesgenossen fern zu bleiben schien. Wichtig ist doch, wie dieser Geist der neuen Zeit die beiden Hallwiler zu ergreifen und zu formen vermochte; Hartmann folgte später dem Capito nach Mainz und war dann arbeitsamer Student in Leipzig.

Auch zwei Domkapläne sind hier zu beachten. Zunächst der alte Johann Bergman von Olpe, einer der Veteranen in Kaplanenschaft und Fraternität. Mit dem ehemaligen Genossen Sebastian Brant in Straßburg verkehrte er noch immer, und in Basel hatte sich ihm ein neuer Kreis aufgetan; dem Rhenanus vor Allen stand er nahe.

Aber er erscheint wie ein durch die Zeit überholter Amateur im Vergleiche mit seinem Kollegen, dem Domkaplan Hieronymus Brilinger. Was Dieser an feinerer Bildung vielleicht schuldig blieb, ersetzte er durch die Kraft und Reichlichkeit seiner Leistungen. Achtzehnjährig erteilte er Unterricht an der Domschule; als er 1505 Rektor der Universität wurde, feierte der offizielle Lobredner und Poet seine hektorische Statur, seine Redefertigkeit, die Prägnanz seines Wesens überhaupt. Jedenfalls bewährte er sich überall als brauchbaren Arbeiter, indem er ein Diplomatar und ein Ceremoniale des Domstifts zusammenstellte, die beinheimische Chronik für Adelberg Meyer übersetzte, die Chronik Blauensteins überarbeitete und im Anschluß an dies Alles zum Chronisten seiner eigenen Zeit wurde. Von einer herzlichen Begrüßung durch Leontorius abgesehen haben wir keine Zeugnisse seines Verkehrs mit dem amerbachischen und dem erasmischen Kreise. Aber auch ohne solche ist er kenntlich genug als rüstiger und aufmerksamer Altertümler.

Während einiger Jahre war hier auch die bewegliche Gestalt des Johann Fabri anzutreffen, der jetzt, zu Beginn einer großen kirchlichen

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Rudolf Wackernagel: Geschichte der Stadt Basel. Dritter Band. Helbing & Lichtenhahn, Basel 1924, Seite 160. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wackernagel_Geschichte_der_Stadt_Basel_Band_3.pdf/181&oldid=- (Version vom 1.8.2018)