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Das ist die sodalitas Basiliensis, das sodalitium literarium. Eine für das Bewußtsein Aller vorhandene Vereinigung. Von den draußen Lebenden als coetus doctissimorum gepriesen, als eine Genossenschaft von Musageten, als ein Museion; Apollo selbst scheint sich in Basel niedergelassen zu haben. Solcher Bewunderung aus der Ferne gegenüber genügt den Beteiligten selbst das Gefühl ihrer Sodalität, das eigenartige Leben dieses Zusammenspiels individueller Kräfte und kollektiver. An eine Gesellschaft mit irgendwelcher Bestimmtheit äußerer Form, irgendwelcher Organisation haben wir nicht zu denken. Es ist eine freie Vereinigung. Durch kein anderes Recht geregelt als durch „das auf den Gesetzestafeln der Grazien geschriebene“. Nur die natürliche Herrschaft der geistig Überlegenen gilt und die natürliche Unterordnung der schwächer Begabten. Jedem steht die Sodalität offen; nur die Unfähigkeit und die Roheit sind ausgeschlossen.

Aber kein Leben der Ruhe umspannt die Sodalen. Sie sind unaufhörlich in Bewegung gehalten. Das Bedürfnis der stets sofortigen Mitteilung sorgt dafür, daß kein Tag ohne Erlebnis vergeht. So sehr fühlen sie sich durch dieselben Absichten und Aufgaben verbunden, daß, was dem Einen geschieht, als gemeinsame Angelegenheit Aller gilt. Es ist ein Leben der beständigen stärksten Aufreizung und Anregung. Während Einzelne dies Zusammensein ausgewählter Geister als eine beatitudo genießen können, machen Andere sich und den Genossen das Leben schwer durch Eifersucht und Zank. An Monotonie ist bei diesen Leuten jedenfalls nicht zu denken. Die gelehrte Diskussion hat ihre Ergänzung im Humanistenklatsch.


Innerhalb dieser Bewegung leuchten einzelne Szenen besonders hervor.

Vor Allem das Leben mit Erasmus. Kaum eine der andern humanistischen Sodalitäten ist in dem Maße wie diejenige Basels durch einen Einzigen bestimmt. Während den Zeitgenossen in den Schriften vornehmlich der gewaltige erstaunliche Erasmus entgegentritt, mag er hier momentan sein Menschliches und Kleines, aber auch in guten Stunden den Zauber des persönlichen Verkehres zeigen, dessen bezwingende Anmut immer wieder empfunden wird. Es ist der Verkehr, den er, vielleicht mit der Güte eines Fürsten, seinen Bewunderern gewährt, über Tisch beim convivium geniale, das auch ein convivium caeleste heißen kann, oder beim Spaziergange. Da auch empfängt er, in seiner Stube bei Froben auf- und niederwandelnd, die Besucher; da läßt ihn gute Laune in Epigrammen scherzen; da wird geredet de restitutendis bonis studiis, de retis moribus, de rebus sacris, über Themen also, die als die Quintessenz des Basler Humanismus gelten

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Rudolf Wackernagel: Geschichte der Stadt Basel. Dritter Band. Helbing & Lichtenhahn, Basel 1924, Seite 207. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wackernagel_Geschichte_der_Stadt_Basel_Band_3.pdf/228&oldid=- (Version vom 1.8.2018)