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Denkwürdig bleibt jedenfalls, mit welcher Raschheit und Kraft die Basler Drucker sich der neuen Disziplin anpassen. Sie verfügen sofort über die Spezialitäten dieser Typen Setzer Kastigatoren. Seit der ersten Grammatik Pellicans werden hier zahlreiche hebräische Bücher hergestellt.


Aus der prächtig wogenden Masse der Studien und ihrer Ergebnisse treten zwei Werke mit eigenartigem Glanze hervor: die Editionen des Neuen Testaments und des Hieronymus.

Im Sommer 1504 fand Erasmus in einer Prämonstratenserbibliothek unweit Löwen die auf griechische Terte sich gründenden Anmerkungen des Lorenzo Valla zum lateinischen Vulgatatexte des Neuen Testamentes; er entschloß sich zur Veröffentlichung dieser Arbeit, die ihm den Abstand zwischen Vulgata und Urtext zeigte, obgleich er voraussah, daß die auch vor der Heiligen Schrift nicht Halt machende Kritik Manchem bedenklich erscheinen werde. Im März 1505, in Paris, trat das Werk ans Licht.

Von da an scheint das Problem einer kritischen Ausgabe des Neuen Testamentes den Erasmus dauernd beschäftigt zu haben. Auch in Italien, dann in England. Er wollte den Text in seiner ächten Form wiederherstellen, die alte anerkannte, aber vielfach schlechte Fassung verbessern, nicht oberflächlich und ehrfurchtlos, träumend gleichsam und mit ungewaschenen Händen, sondern unter Benützung der ältesten Handschriften sowie der Meinungen gelehrter und heiliger Kirchenväter.

Als Erasmus im August 1514 nach Basel kam, meldete er sofort dem Reuchlin, daß der Druck des Neuen Testamentes beginnen werde. Aber die Arbeit war noch nicht so weit gediehen, auch traten andre Publikationen dazwischen. Noch im April 1515 hatte Froben kein Manuskript erhalten. Erst die Nachricht von einer Ausgabe des Neuen Testamentes in Spanien, in der großen complutensischen Polyglotte des Kardinals Ximenez, scheint die Basler zur Eile getrieben zu haben. Im August 1515 ist das Neue Testament im Druck; im September kommen Ökolampad und Gerbel als Kastigatoren zu Hilfe; im Februar 1516 erscheint die Edition, die überhaupt erste des Neuen Testaments im Originaltexte.

Sie ist eilig gemacht, nicht frei von Fehlern und Willkür. Aber die Wirkung auf die Geister sofort eine gewaltige.

Dieses Buch hat die Namen seiner Mitarbeiter in die Unsterblichkeit gerettet, urteilt Rhenan. Ludwig Bär küßt es, betet es an, beklagt die vielen in scholastischen Zänkereien verlorenen Jahre. Andreas Ammonius in London huldigt dem Erasmus, Budaeus jubelt, Herman von Neuenahr

Empfohlene Zitierweise:
Rudolf Wackernagel: Geschichte der Stadt Basel. Dritter Band. Helbing & Lichtenhahn, Basel 1924, Seite 222. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wackernagel_Geschichte_der_Stadt_Basel_Band_3.pdf/243&oldid=- (Version vom 1.8.2018)