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verheißenden und gebietenden Morgenstunde seine Kraft zurückwünscht: „O daß ich wieder jung werden könnte!“

Vom allgemeinen Sturme geweckt und begeistert steht der Humanist vor uns.

In der Überwindung der Tradition, in der Anwendung freier Kraft und selbstgewählter Mittel, im Stolze seiner „geistigen Sendung“ fühlt er sich als eine neue Kreatur. Ihn trägt das keinen Zweifeln ausgesetzte Bewußtsein, ein Mensch besonderer Art zu sein. Wozu auch die lebendige Empfindung einer Gemeinschaft gehört. Er weiß, daß in der Nähe und in der Ferne Andere leben, mit denen zusammen er erhoben ist über Barbarei und Vulgus.

Aber bei aller Gemeinsamkeit herrscht doch im Einzelnen der Wille zur völligen Freiheit. Jeder hat zunächst sich selbst zu behaupten. Erasmus begehrt Allen nützlich zu sein, aber Keinem verpflichtet. Wogegen Glarean gelegentlich mit bittern Worten klagt, statt daß Einer dem andern beistehe, suche jeder nur „sein eigenes Rühmlein“.

Das Entscheidende, den Einzelnen wie überall so auch hier in der Höhe Haltende ist die eigene Leistung. Jeder dieser Humanisten möchte sich in feinem Bereich als einen Erneuerer der Wissenschaften fühlen. Und so erklärt sich, daß uns überall dasselbe gesteigerte Wesen begegnet. Es ist durchweg die Überzeugung, daß es sich um Bahnbrecherarbeit handle und nichts erreichbar sei ohne höchsten Aufwand von Kraft.

Rastlose Tätigkeit gehört zum Wesen der Zeit überhaupt. Nicht in der Form gewöhnlichen Fleißes, sondern als mächtige Energie, als bewußte Konzentration von Wille und Fähigkeit auf ein Vorhaben. Thomas Platter zeigt uns das unvergeßliche Bild eines solchen gewaltigen und seiner selbst nicht schonenden Arbeiters. Ähnlichen Eindruck macht unser Basler Humanistenkreis. Er ist erfüllt von einer stets neu erregten und jede Erregung weiter gebenden, unruhig vibrierenden Tätigkeit. Zum Teilnehmen an allem Gelehrten, das da und dort geschieht, tritt das eigene ungeduldige Vorwärtsdringen, der Mut des Bekennens und des raschen Produzierens. Man fühlt sich frei von Vorgang und Autorität, ohne des natürlicherweise sich einstellenden eigenen Autoritätsbedürfnisses neuer Art bewußt zu werden. Man will für das Selbsterrungene allein verantwortlich sein, will sich auszeichnen und Lob hören. Auf neuen Bahnen, zu neuen Zielen strebend fühlen sich die Kräfte. Es geht weiter mit Geist- und Feuerschritten.

Die Beherrschung einer Mehrzahl alter Sprachen gilt den Ehrgeizigen und Wißbegierigen als erstrebenswert. Vielgepriesen sind die das Lateinische

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Rudolf Wackernagel: Geschichte der Stadt Basel. Dritter Band. Helbing & Lichtenhahn, Basel 1924, Seite 231. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wackernagel_Geschichte_der_Stadt_Basel_Band_3.pdf/252&oldid=- (Version vom 1.8.2018)