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durch neue Bildungen bereichert, kräftig flüssig, auch ausgeartet. In Allem durchaus lebendig. Dabei nationaler oder provinzialer Eigenart zuweilen folgend, so daß die Schwaben wegen ihres „Hechinger Lateins“ verspottet werden und der alte Amerbach seine Söhne in Paris vor der französischen Aussprache des Lateinischen warnt.

Gegen diese „barbarische“ „gotische“ „vandalische“ „schlechtklingende“ Sprache erhebt sich der stolze Humanismus mit seiner Latinität, die er aus den besten Quellen geschöpft zu haben überzeugt ist. Das geliebte edle Latein will er wieder befreien von all den Mißbildungen, die ihm zu Teil geworden, die Jugend wieder erziehen zu Reinheit und Glanz der Rede. Lange steht dabei der deutsche Humanismus unter der Zaubermacht Italiens. Dieses ist ihm nicht allein der nächste äußere Vermittler der Antike; es überwältigt ihn auch durch seine eigene leidenschaftliche und selbständige Auffassung. So kann es kommen, daß der frühe Humanist die Briefe des Enea Silvio denen Ciceros vorzieht, daß der Kreis Wimpfelings sich durchaus an italiänische Vorbilder hält. Der junge Rhenan erlebt und kennt als Meister der hohen Sprachkunst die Italiäner Politian Pico Marsilius Pontanus u. A. neben den einzigen Nordländern Agricola und Erasmus; und nach Jahren noch gilt als Ruhm des Zasius, daß er an sprudelndem Reichtum und an Anmut der Rede von keinem Südländer erreicht werde.

Wie dann unter Bebels Führung deutsche Humanisten diese Autorität der Italiäner bestreiten und auf die Alten als die einzigen klassischen Stilmuster hinweisen, ist bekannt. Sie haben schon früh ihren Anhang auch in Basel, wo Cono 1512 die livianische Eloquenz als Inbegriff von Sprachreinheit und Sprachschönheit lobt; höchstens das gute Latein von Kirchenvätern, die ambosiana gravitas, darf daneben noch gelten. Dann Tritt auch hier Cicero in seine Rechte und hat das Ansehen des höchsten Meisters lateinischer Prosa. Nicht mächtiger glaubt man den Erasmus verherrlichen zu können als durch den Titel eines christlichen Cicero.


Notwendig wird auch die Schrift unter dieses Gesetz der Form gestellt.

Was im Zeitalter Heynlins begonnen worden ist, wird jetzt allgemeiner humanistischer Brauch. Es ist die der Minuskel des früheren Mittelalters nachgebildete, sogenannte römische Schrift, die der vielartigen und eckigen „deutschen“ Schrift der Notare und Mönche usw. gegenübertritt. Ihre reinen Linien mögen bei Pellican Franz Wiler Leontorius noch konventionell sein; bei den Spätern zeigen sich freie individuelle Formen, die aber immer noch dem schönen Typus folgen. Neben der mächtigen

Empfohlene Zitierweise:
Rudolf Wackernagel: Geschichte der Stadt Basel. Dritter Band. Helbing & Lichtenhahn, Basel 1924, Seite 238. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wackernagel_Geschichte_der_Stadt_Basel_Band_3.pdf/259&oldid=- (Version vom 1.8.2018)