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Unausweichlich ist, daß der neue graphische Stil sich auch der durch die Humanisten gepflegten Inschrift annimmt. Rhenan vor Allen, der so manches weihevolle Epitaph redigiert, sorgt dabei zugleich für die Art der Ausführung. Er will nur die feierlichschöne römische Majuskel gelten lassen; statt ihrer duldet er höchstens solche Buchstaben, die den aldinischen und frobenischen Typen entsprechen. Bei der Grabschrift für Geiler freilich ist ihm auch dies nicht gelungen: die „Halbgelehrten“, die den Stein besorgen, lassen die Inschrift in „barbarischen“ (mittelalterlich gotischen) Buchstaben einmeißeln; die römischen Majuskeln des Rhenanus halten sie für hebräische oder ägyptische Zeichen.


Der Geist, der um glücklich zu sein einer solchen Formenwelt bedarf, sucht allenthalben nach ihr. Alles soll in Zucht genommen werden, unter die „stolze Macht der Form“ sich beugen. Er verlangt eine Stilisierung des Lebens und Handelns, die nicht nur Sache des einzelnen Ausdruckes bleiben, sondern die ganze Person ergreifen soll. Soweit dies bei den übrigen Voraussetzungen unseres Humanismus und in seiner bestimmten Umgebung überhaupt angeht.

Hiezu gehört schon, daß an dem Musizieren, das wie ein neues Lebensbedürfnis des damaligen Geschlechtes laut wird, der Humanismus auf seine Weise teilnimmt. Auch es bedeutet ein Gestalten des Lebens, ein Bändigen von Empfindung in Form und Wohllaut.

Freude hieran hat schon den Celtis zum Musiker gemacht, und ein rührendes Bild ist der alte Reuchlin, der im Exil zu Ingolstadt sich mit einsamem Saitenspiele tröstet. Wie überall, wo von Anmutigem des Humanistenlebens zu reden ist, so macht sich auch hier Bonifaz Amerbach geltend; was wir von seinem Gesange, seinem Spielen auf verschiedenen Instrumenten, seinem Verkehre mit Sixt Dietrich, Hans Kotter u. A. vernehmen, scheint einen hochentwickelten Dilettantismus zu bezeugen. Die kräftigere Erscheinung aber ist auch hier wieder Heinrich Glarean. Er gehört zu den singenden Humanisten gleich Herman von dem Busche; in dorischer Tonart singt er 1512 in Köln sein Preislied auf Kaiser Max, und vierzig Jahre später wird er einen Vorlesungskursus über Sueton mit dem Absingen eines Dankgebetes an Gott eröffnen. Wie mächtig er daneben die Theorie der musikalischen Kunst gefördert hat, wissen wir; er komponiert selbst; auch in seiner Schule tönt es von Musik, unter seiner Leitung spielt der junge Luzerner Johann Zurgilgen Laute Flöte und Orgel.

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Rudolf Wackernagel: Geschichte der Stadt Basel. Dritter Band. Helbing & Lichtenhahn, Basel 1924, Seite 240. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wackernagel_Geschichte_der_Stadt_Basel_Band_3.pdf/261&oldid=- (Version vom 1.8.2018)