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Schon das unbedenkliche Publizieren von Briefen bei Lebzeiten des Schreibers und des Adressaten ruht auf der Empfindung, ein solcher Brief sei aus der persönlichen und intimen Geltung übergegangen in den Bereich humanistischer Literatur. Daher auch so oft in Titel Vorrede usw. der Autor hinter dem Verleger zurücktritt. Anstandslos wird fremde Arbeit literarisch verwertet; z. B. Bonifaz Amerbach findet in den Papieren Alciats dessen Jugendgedichte und läßt sie ohne Wissen des Verfassers in Basel drucken; Rhenanus und Hollonius geben hinter dem Rücken des Erasmus eine „unter Beistand Merkurs (des Gottes der Diebe)“ ihm entwendete Auswahl seiner Briefe und seine colloquiorum formulae in die Pressen Frobens. Selbst das Herübernehmen einzelner Stellen aus einem andern Autor in das eigene Werk gilt nicht ohne weiteres als unzulässig und geschieht auch bei der Abfassung von Briefen, z. B. durch Cantiuncula, ungescheut und in großem Maße.

Bei solchen Anschauungen erklärt sich, daß Begriff und Recht des Autorhonorars sich nur zögernd entwickeln. Die erste Rücksicht gehört offenbar dem das Werk zum Gemeingute machenden Verleger. Daher auch sein Unternehmerrecht früher Schutz findet als das Recht des geistigen Urhebers

Für die Beurteilung des Nachdruckes aber kommt in Betracht, daß die Aufgabe der Presse ist, möglichst Vielen möglichst rasch zu dienen. Das Interesse des Lesers, des Forschers, des Lehrers und des Schülers steht in der ersten Linie und darf nicht gehemmt sein weder durch ein Recht des Autors noch durch ein solches desjenigen Verlegers, der das Buch zum ersten Male veröffentlicht. Das Nachdrucken ist an sich kein Unrecht; nur als unfein, incivils, wird etwa ein sofortiges Nachdrucken angesehen, das den Absatz des ersten Verlegers schädigen könnte.

Zahlreiche Fälle des Nachdruckes durch Froben werden uns bekannt; eine Hauptleistung auf diesem Gebiet ist das der alten Druckergesellschaft Amerbach-Petri-Froben gegenüber Koberger, am berühmtesten aber das behende Nachdrucken lutherischer Schriften durch Adam Petri.

Ordnung schaffende und verbindliche Rechtsvorschriften fehlen; daher suchen sich die Verleger selbst zu helfen. Eigenartig bei der Ausgabe des Neuen Testamentes: da wird viel Hebräisches in die Anmerkungen gesetzt, um durch solche Einschiebsel ein Nachdrucken zu erschweren. Das Hauptmittel aber sind die Privilegien, durch die der Nachdruck nicht an sich für unrecht erklärt, sondern nur für eine gewisse Zeit verboten wird. Vor Allem die kaiserlichen Privilegien. Solche werden erworben durch Froben für das Neue Testament und den Hieronymus 1516, durch Adam Petri für das

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Rudolf Wackernagel: Geschichte der Stadt Basel. Dritter Band. Helbing & Lichtenhahn, Basel 1924, Seite 243. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wackernagel_Geschichte_der_Stadt_Basel_Band_3.pdf/264&oldid=- (Version vom 1.8.2018)