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bis zur Verspottung der Pariser Studenten durch die Schüler Glareans. Der heftige Zasius wird nicht müde, seinen Widerwillen gegen das französische Wesen zu bezeugen, und in einem wichtigen Briefe fordert Erasmus 1518 den Wilhelm Nesen in Paris auf, sich als Deutschen zu bewähren und auch an seinem Teile den Schein zu widerlegen, als ob die Galli den Germani geistig überlegen seien.

Eigenartiger ist das Verhalten gegenüber Italien. Auch in den Humanisten lebt das nationale Empfinden, das sich durch die gravamina gegen Rom Luft macht; aber daneben stehen sie als Forscher und Literaten unter der Bezauberung durch die großen italiänischen Autoren. Bis auch hier der Widerwille wach wird. Wider die Nation als solche, namentlich aber wider ihre hochmütigen Gelehrten, die in gleicher Weise die „barbarische und kindische“ Wissenschaft der Deutschen verspotten, wie die italiänischen Künstler und Kunstschriftsteller die deutsche Baukunst. Es regt sich das Bewußtsein, durch die eigene Kraft es Jenen gleichtun, ja sie übertreffen zu können. Gelehrte Drucker Buchhändler stellen sich unter die Gewalt eines solchen Wetteifers; Amerbach und Rhenan und Zasius streben zur Überwindung ultramontaner Wissenschaft, Froben will Rivale des Aldus sein. Dann aber sammelt sich all dieser Ehrgeiz um Person und Werk des Erasmus, der die Leuchte Germaniens ist und der Vorkämpfer für die geistige Herrschaft. Was einst Rudolf Agricola vorausgesagt hat, scheint jetzt Vielen durch Erasmus erfüllt zu sein: Latium ist die Palme entrissen, Italien überwunden, die Führung der Geister im Norden.

Wir sehen, wie aus der Notwendigkeit der Abwehr fremder Willkür und Arroganz das immer stärkere Gefühl der eigenen Ehre, der Herrlichkeit des eigenen Landes erwächst. Das deutsche Altertum in seiner Stärke und seinem Ruhme wird jetzt wieder lebendig; Tacitus tritt neu ans Licht; den Arminius erhebt Hutten zum Begründer der deutschen Freiheit. Im Mittelalter, das die Italiäner als eine Periode des Verfalles und der Barbarei zu verachten pflegen, in dieser Zwischenzeit voll „dunkeln tiefen energischen Wirkens“, erkennt der deutsche Humanist die eigene große Vergangenheit. Er sammelt die Kunden von den Kämpfen der alten Kaiser gegen dasselbe römische Papsttum, dessen Ausbeutung Deutschlands heut einer allgemeinen Opposition ruft. Wissenschaftliche und patriotische Gedanken gehen dabei durcheinander. Erasmus freilich ist wesentlich auf Weltbürgertum gestimmt. Aber neben dem historisch begründeten Hochgefühle Rhenans hat die Begeisterung des Ulrich Hugwald für sein „geliebtes Vaterland Deutschland, die edelste und christlichste Nation“, ihre Stelle. Es ist Teilnahme an der

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Rudolf Wackernagel: Geschichte der Stadt Basel. Dritter Band. Helbing & Lichtenhahn, Basel 1924, Seite 254. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wackernagel_Geschichte_der_Stadt_Basel_Band_3.pdf/275&oldid=- (Version vom 1.8.2018)