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in einer herrlichen, volle Befriedigung atmenden Schilderung festgehalten hat. Ein Zustand, dem vor Allen er selbst einen durch die Welt leuchtenden Glanz verleiht. Basel strahlt im splendor erasmicus.


Aber das erasmische Basel ist auch ein holbeinisches.

Seine Bedeutung für die Wissenschaft wird uns durch eine Gruppe, durch eine Minderheit nahe gebracht. Ihre Zeit selbst sieht lieber nach Anderem hin, und auch für uns löst sich dieses Andere noch begreiflicher aus der Überlieferung.

Nicht nur um Holbein handelt es sich. Auch außer ihm steht jenem gelehrten Basel ein Kreis zahlreicher Künstler mit starken Kräften gegenüber, und um diese einzelnen Gestalten her, sie erregend und durch sie geschaffen, geht die Macht künstlerischen Wesens durch das ganze Leben der Stadt. Seine Voraussetzungen sind Orts- und Stammesart, traditioneller Kunstsinn, unaufhörliches Eindringen frischer Kräfte, neue Sitten und Bräuche, und im Einklange hiemit die Mehrung jedes Lebensgefühles durch Leidenschaft und Verlangen. Nie ist Basel so reich an Reizen gewesen, nie so bewegt wie damals.

Es ist die Zeit, da aus Akten und Bildern und Dichtungen eine festliche Stadt und Menschheit vor uns aufsteigt. Eine Fülle von Können, ein Glücksgefühl und eine Genußfreude, die das Dasein wie ein heiteres Schauspiel erscheinen lassen. Der entschiedene Schönheits- und Formensinn, der Alles meistert, lebt überall im Tausenderlei der Geräte und des Schmuckes, in der Phantastik der Buchdekoration, im Fabel- und Farbenglanze der das gemütliche Wandaltertum illusionär in eine große Prachtform wandelnden Fassadenmalerei usw. Er kleidet auch die Menschen. Über die bunte Tracht hinaus, die schon vor fünfzig Jahren das alte dunkle Basler Kleid beseitigt hat, kommt jetzt eine neue Steigerung. Die Mode verlangt die „neuen Kleidungen gleich wie in Italia geprucht“; sie erfindet auch noch andere Zierden und nötigt die Schneider, Seide Samt Gold Juwelen „uf das scherpfest noch der welt louf ze verwerken“. Das Schlitzen und Puffen der Wämser und der Hosen, die erstaunliche Farbigkeit der Gewandung überhaupt wird uns allenthalben gezeigt. Durchweg verkündet sich die „kecke Freude am Leben und am Leiblichen“.


Wir lernen ein Geschlecht kennen, das seiner Kraft bewußt ist und sie genießt. Neben den geistigen Gewalten dieser Zeit herrscht unbefangen die Sinnlichkeit. Wie sie in der Kleidung sich verkündet, so überall, im Kunstwerk, im geselligen Verkehr, in Scherz und Brauch.

Empfohlene Zitierweise:
Rudolf Wackernagel: Geschichte der Stadt Basel. Dritter Band. Helbing & Lichtenhahn, Basel 1924, Seite 292. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wackernagel_Geschichte_der_Stadt_Basel_Band_3.pdf/313&oldid=- (Version vom 1.8.2018)