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Die Zeit kommt dieser Erregung der Geister durch eine bunte Literatur von Prognostiken entgegen, in der alte Astrologie und neue Weissagung sich zusammenfinden. Allem dient diese Literatur, jeder Frage und jeder Ahnung, der Geneigtheit das Geahnte als ein Mögliches und dann als ein Notwendiges hinzunehmen, der verwegenen Fabulierlust wie dem Überzeugtsein.

Auch Basel nimmt Teil an solcher Tätigkeit. Es druckt die Revelationen des Methodius, die Practica aus das Jahr 1516, die sibyllinischen Weissagungen. Für besondere Leser auch die Utopia des Morus. Brilinger sammelt Vaticinien. Namentlich aber enthüllt Gengenbach in seinen Dramen große Zukunftsbilder: vom Adler, der aus Deutschland daher fliegen und Rom in Trauer bringen wird; vom Kaiser, der aus tiefem Schlaf erwachen, die Kirche reformieren, das heilige Land erobern wird, usw. Sein Nollhart ist voll von Prophetien.

Doch Basel vermag noch mehr; es hat neben die Hofastrologen dieser Zeit seine eigenen Sterndeuter zu stellen: den Jörg Gleser von Horw und den Caspar Kolb von Würzburg. Von Gleser, der nach Beginn der 1520er Jahre zuerst in Akten auftritt, amtlich als „Sternenseher“, als astrologus bezeichnet, erfahren wir, daß er mit seiner Sternbefragung den Leuten um „Arztlohn“ dient. Der mathematicus Kolb erteilt hier dem Genueser Anton de Insula Unterricht in Astrologie und Astronomie; da die Beiden wegen des Honorars in Streit geraten, entscheidet das Gericht auf Grund eines Gutachtens der „Doctores und Gelehrten, so dieser Künsten bericht sind“. Alles deutet so auf eigentliche Berufsausübung der Sternkundigen. Als stadtbekannte Figuren begegnen sie uns in Gengenbachs Gäuchmatt und in den holbeinischen Todesbildern; zu ihrem Kreise gehört z. B. auch der Mülhauser Niklaus Bruckner, durch den Bruno und Bonifaz Amerbach sich ihre Nativitäten berechnen und deuten lassen.

Daß diese durch so Vieles erregten Menschen auch auf Schatzgraben und Geisterbannen verfallen, ist natürlich. Die Werkzeuge Husenecks, Beschwörungsbüchlein und Teufelskreis, haben wir kennen gelernt; wir vernehmen auch von einer wirklichen Schatzgräberei hinter Wattenschnees Haus, und gelegentlich gibt der städtische Rat selbst seine Autorität zu einem derartigen Unternehmen.

Ruhig Denkenden freilich mögen alle jene Verheißungen und Deutungen wenig bieten, und es ist fraglich, ob Gengenbach selbst sie ernst nimmt; „es stot allein in gots gewalt“ sagt in der Gäuchmatte der Narr zum weissagenden Astrologus. Aber auch der Jovistochter Fortuna stellt

Empfohlene Zitierweise:
Rudolf Wackernagel: Geschichte der Stadt Basel. Dritter Band. Helbing & Lichtenhahn, Basel 1924, Seite 296. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wackernagel_Geschichte_der_Stadt_Basel_Band_3.pdf/317&oldid=- (Version vom 1.8.2018)