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Tiefes Ergriffensein, Drang zu belehren, zu werben und aufzureizen, Spott Laune Schmerz Haß — Alles lebte in diesen Blättern, in ihrer oft unschönen, immer kraftvollen Beredtsamkeit. Die Voraussetzung war, daß ein verbreitetes Lesenkönnen des Volkes ihnen entgegenkam, ein geweckter Sinn sie empfing.

Manche solcher Schriften entstanden in Basel selbst, viele andere ihrer Art waren hier beim Händler zu finden, wurden von diesem zentralen Büchermarkt aus weiter getragen.

Von Bedeutung für uns ist die Masse, ist die Einheit dieser weit überwiegend einer antirömischen Gesinnung dienenden Produktion, innerhalb deren an Einzelnes nur erinnert werden kann.

Unter den Baslern wurde hauptsächlich Gengenbach durch sein publizistisches Ingenium zur Teilnahme getrieben. Bald war er Autor, bald Drucker, bald Händler, sein Laden an der Freienstraße, unter den Becherern, für den Vertrieb solcher Ware vorzüglich gelegen. Ihm verdanken wir den Laienspiegel, den Pfaffenspiegel, den evangelischen Burger, die Totenfresser, den Hans Knüchel — lauter Schriften voll Begeisterung für die neue Lehre; er druckte auch das „furchtbare Manifest“ Eberlins, die Fünfzehn Bundsgenossen. Bei Adam Petri erschienen der Wolfgesang, der Pfründenmarkt der Kurtisanen, der Karsthans usw., bei Cratander die Pasquille Julius und Henno rusticus; auch der „abgehobelte Eck“ war vielleicht Basler Produkt.

Es ist ein Schauspiel voll Leben, wie der Geist dieser Tagesliteratur Buchdruck und Buchhandel zu einem den rasch wechselnden Verhältnissen angepaßten Betriebe und zu neuen Formen zwingt. Auch würde ohne diese mit den stärksten agitatorischen Mitteln arbeitende Publizistik die Fieberstimmung der Zeit nicht zu begreifen sein.


Ein neues Wesen regt sich in Basel, und unaufhörlich strömen ihm große Anregungen zu. Was draußen geschieht, drängt herein und will Teilnahme. Hedio schickt Berichte über die Verurteilung Reuchlins in Rom und die Siegesfreude der Kölner Mönche. „O Freiheit Deutschlands, was ist aus dir geworden!“ Aber auch Jubel wird laut über den Fortgang der Sache Luthers. Es kommen die Berichte über seine Verbrennung der Bannandrohungsbulle, Nachrichten aus dem Wormser Reichstage, das Neueste von der Ebernburg Sickingens, u. a. m. Voll Leben ist auch der persönliche Verkehr. Butzer besucht Basel im Sommer 1519, noch Dominikanermönch, aber glühend für das neue Evangelium. Später der Zwickauer Predikant

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Rudolf Wackernagel: Geschichte der Stadt Basel. Dritter Band. Helbing & Lichtenhahn, Basel 1924, Seite 324. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wackernagel_Geschichte_der_Stadt_Basel_Band_3.pdf/345&oldid=- (Version vom 1.8.2018)