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Sylvius Egranus; so anschaulich erzählt er von Luther, daß die Basler Diesen selbst vor sich zu haben glauben. Auch Zwingli kommt. Aus dem Lande Tirol aber vernimmt man, daß dort in Hall der Basler Jacob Strauß „das Evangelium öffentlich und ohne Menschenfurcht predige“.


Von der stillen Belehrung, von der Propaganda durch Abhandlungen und Flugblätter geschah rasch der Schritt zum öffentlichen Verkündigen auf der Kanzel.

Seit 1515 versah Wolfgang Capito die Münsterpredikatur. Eigenartig, „keinem äußern Vorteile, keiner unächten Frömmigkeit, keinem priesterlichen Selbstgefühle“ dienend. Daher sein Verhaßtsein bei manchen Standesgenossen, wofür ihn die Anhänglichkeit der Hörer entschädigen konnte. Sie drängten sich zu seinen Predigten, und er bot ihnen was er vermochte, im Stillen vom Bewußtsein gepeinigt, „durch die Hüllen der Mysterien hindurch das in ihnen dargestellte Höchste nicht in seiner Reinheit wahrnehmen zu können“. Da trat Luther auf. Daß ihm Capito zustimmte, wissen wir, mit allen Vorbehalten seiner für Angriff und Kampf nicht geschaffenen Natur; aber daß er „Luthers Erkenntnis atmete“, wurden rasch seine Freunde inne. Auch die Gemeinde im Münster erlebte eine Wandlung. Capito entschloß sich, gleich Zwingli, die hergebrachte kirchliche Perikopenordnung zu durchbrechen; er begann in täglichen Bibelstunden das Evangelium Matthäi fortlaufend auszulegen. Mit starker Wirkung auf die Hörer. Als er im April 1520 Basel verließ, um eine Predigerstelle in Mainz anzutreten, kam es beinahe zu einem Aufruhre des Volkes, das ihn nicht verlieren wollte.

Capitos ergebenster Jünger Caspar Hedio aus Ettlingen begegnet uns zum ersten Mal im Jahre 1518, als Vikar der Theodorskirche. An dieser Stelle, den abwesenden Pleban Augustin Lutenwang vertretend, blieb er, bis er im November 1519 die durch Tod des Marx Weidner frei gewordene Pfründe des Allerheiligenaltars zu St. Martin erhielt. Sofort gedachte er hier nach Capitos Beispiel zu predigen, gelangte dazu aber erst im April 1520, und begann die Auslegung des Matthäusevangeliums an der Stelle, bei der Capito im Münster stehen geblieben war, beim sechsten Kapitel. Es schien ihm zu glücken, auch die Hörer waren befriedigt. Aber in seiner völligen Dahingabe an den verehrten Capito folgte er Diesem schon im Herbste 1520 nach Mainz.

An die Stelle Lutenwangs zu St. Theodor wurde im Herbste 1519 durch die Gemeinde Marx Bertschi von Rorschach zum Pfarrer gewählt, von der Studienzeit her seit einem Jahrzehnt in Basel heimisch, ein Freund Rhenans Briefers Vadians.

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Rudolf Wackernagel: Geschichte der Stadt Basel. Dritter Band. Helbing & Lichtenhahn, Basel 1924, Seite 325. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wackernagel_Geschichte_der_Stadt_Basel_Band_3.pdf/346&oldid=- (Version vom 1.8.2018)