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Durchweg ruhen diese Gebilde auf dem Willen des Volkes. Wie sich im Auditorium Ökolampads Hunderte von Hörern drängen, wie zu St. Martin seine Getreuen Leib und Leben für ihn wagen wollen, wie angesehene Bürger die Abhaltung täglicher Bibelstunden in der Barfüßerkirche verlangen, so handelt es sich überall um „eine Gemeinschaft mit geistlicher Gewalt, die keinen Zwang kennt, eine freiwillige Scharung um das Wort des Predigers“.

Auch die Predikantenschar entspricht diesem Anfangszustande. Jeder von ihnen ist geworden, was er ist, aus eigenem Entschluß und hat seine Gemeinde sich gewonnen mit seiner Kraft. Wenn schon hierin Anlaß ist zu selbstwilligem Handeln, so hilft dazu auch das Fehlen von Amtsordnungen und von Organisation überhaupt. Nur allmählich bildet sich die Vorstellung einer Körperschaft, eines Geistlichenstandes; die gelegentlichen Verabredungen dieser Predikanten über ihre Tätigkeit können noch kaum als Keime künftiger Synoden gelten. Daß Dissonanzen innerhalb dieser Basler Predigerschaft bestanden, lehrt uns ein Brief Zwinglis mit Ermahnungen zu Einigkeit. Von Wissenburg z. B. wissen wir, daß er in der Lehre vom Abendmahl abweichender Meinung war und unter den Kollegen als ein Bruder zweifelhafter Gläubigkeit galt. Eine weitere Distanz tat Ökolampad zwischen sich und den Andern auf. Er, der zur gleichen Zeit die zwei großen Ämter des Predigers und des Professors versah und diesem Übermaß von Arbeit seine Nächte opferte; er, der nicht derb und robust war wie Andre und doch das Schwerste trug, sonderte sich durch solche Leistung und seinen persönlichen Wert von den Amtsbrüdern, denen nichts Andres blieb, als sich ihm unterzuordnen.

Aber wie reich geartet im Einzelnen war diese Schar! Mit Ausnahme Wissenburgs lauter Hereingekommene — Elsässer Schwaben Ostschweizer — mit fremden Sprechweisen und Manieren. Während Einige unter ihnen — Reublin Lüthart — reine Volkspredikanten gewesen zu sein scheinen, hatten Andre Gelehrtenaussehen und waren auch humanistisch gebildet. Die äußere Stellung dieser Männer haben wir uns vielfach als eine an Entbehrungen reiche zu denken. Sie dienten Gemeinden vorwiegend kleiner Leute; an Gaben u. dgl. mochte ihnen Vieles abgehen im Vergleiche mit den Einkünften der alten Pfarrer. Ökolampad selbst erwähnt die Kleinheit seiner Besoldung, und von Bertschi vernehmen wir, daß er armselig leben mußte. Aber gerne würden wir unterrichtet sein über Wesen und Art der Einzelnen. Nur Wissenburg wird uns näher gebracht. Dieser Spitalpfarrer ist auch Lehrer der Universität; Akten Briefe und Chroniken reden von seiner Tapferkeit im Verkünden der neuen Lehre, von seiner persönlich freien Haltung.

Empfohlene Zitierweise:
Rudolf Wackernagel: Geschichte der Stadt Basel. Dritter Band. Helbing & Lichtenhahn, Basel 1924, Seite 346. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wackernagel_Geschichte_der_Stadt_Basel_Band_3.pdf/367&oldid=- (Version vom 1.8.2018)