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Predigern der alten Kirche vorwirft, daß sie mit ihrem Schelten und Schmähen nur Unfrieden stifteten, so gilt dies natürlich auch für die Redner seiner Partei. Ihr „Schreien“ wider den Papst, den Bischof, den Klerus usw. verletzte Viele. Überall waren Minoritäten; der Gegensatz, dem die Predigten dienten, trieb nicht nur die Kirchgemeinden in verschiedene Lager, sondern entzweite auch jede Gemeinde in ihr selbst.

In der Erregtheit der Zeit, aber auch in der Natur der Sache selbst lag, daß diese, sich selbst überlassen, ausartete. Jede Invektive rief einer schärferen von der Gegenseite. Nicht nur „das gemein arm und schlecht volk“, sondern die ganze Einwohnerschaft wurde verwirrt, zu Unruhe Hader und Tumult getrieben. Alles bewog den Rat, einzugreifen.

Im Frühsommer 1523 erließ er daher ein Predigtmandat. Er verpflichtete damit alle Geistlichen Basels zu Stadt und Land zur nur schriftgemäßen Predigt. Einzig die Bibel alten und neuen Testaments sollten die Geistlichen ihren Vorträgen zu Grunde legen und alle der Schrift nicht gemäßen Lehren Luthers und Anderer bei Seite lassen. Wer das, was er predige, nicht aus der Schrift nachweisen könne, oder wer einen Andern ohne Schriftbeweis einen Ketzer u. dgl. nenne, solle gestraft werden.

Ausgezeichnet ist dieses Mandat dadurch, daß der Rat das Schriftprinzip für beide Glaubensparteien verbindlich aufstellt und daß er, im Wunsche, die einfachste Formel zu finden, und in bemerkenswerter Entwickelung über das Predigtmandat vom Juni 1522 und auch über den Nürnberger Reichtagsabschied vom 9. Februar 1523 hinaus, einerseits die bindende Schriftauslegung der Kirchenväter ablehnt, andrerseits auch die Lehren Luthers und andrer Doktoren, soweit sie nicht schriftgemäß sind, ausschließt.

Alles dies ist Befehl des Rates. Stärker und tiefer eindringend als je bisher übt er eine Herrschaft über die Kirche.

Die Sorge für den durch ungezügeltes Predigen gefährdeten Stadtfrieden hat den Rat zum Erlasse des Mandates getrieben. Aber sachlich geht er weiter, wenn er verfügt, daß Luther so wenig als die Patres für die Basler Predigt Bedeutung haben sollen.

Auf absichtliche Begünstigung der neuen Lehre durch den Rat zu schließen, würde unrichtig sein. Er wollte ein Kompromiß zu Stande bringen, von Obrigkeits wegen eine Grundlage nachweisen und festsetzen, die beiden Parteien gemeinsam war und einer jeden sollte genügen können. Dem auf Parität gerichteten Sinne gemäß, der seine Haltung bestimmte.

Empfohlene Zitierweise:
Rudolf Wackernagel: Geschichte der Stadt Basel. Dritter Band. Helbing & Lichtenhahn, Basel 1924, Seite 358. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wackernagel_Geschichte_der_Stadt_Basel_Band_3.pdf/379&oldid=- (Version vom 1.8.2018)