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Tatsächlich allerdings hatte die Maßregel wenig Wert und Wirkung. Denn jede Partei nahm natürlich die Schrift für sich in Anspruch. Auch machte die Ablehnung der katholischen Tradition das Mandat den alten Predigern unannehmbar, und die neuen hatten nach wie vor Anlaß, kirchliche Satzungen als schriftwidrig zu bekämpfen. Das „zwiespältige Predigen“ blieb, wie es vorher gewesen, und mit dem Dissensus war auch stets der Streit da.

Zu Predigt und Gegenpredigt trat als weiteres Kampfmittel die Disputation.

Die damals allerwärts zahlreichen Religionsgespräche haben natürlich an der Meinung eines der Wortführer selbst nie etwas geändert, aber oft im Großen gewirkt. Sie einigten nicht; sie dienten jeder Partei zu Bekenntnis und Rechtfertigung. Die Einseitigkeit des Predigens ergänzend konnte ein solcher Redekampf ein mächtiges Mittel der Werbung sein. Er gab auch dem Rate die Möglichkeit, im einzelnen Falle sich erweisen zu lassen, ob eine Predigt dem erlassenen Mandate gemäß gewesen sei, — so die zwischen Wissenburg und dem St. Peterspredikanten Rebhan verabredete Disputation.

In einem wichtigen Momente, kurz nach dem Erlasse des Predigtenmandats, griff auch Ökolampad zu diesem Mittel. So wenig das Disputieren seiner Natur zusagte, bezwang er sich doch um der Sache willen. Er schlug seine Thesen an, den wider die evangelische Lehre erhobenen „Schmachreden“ seine Erwiderungen entgegenstellend und sich zu deren Begründung aus der Schrift erbietend. Als Tag der Disputation war zuerst der 16. August 1523 vorgesehen; auf Weisung des Rates verschoben, fand sie dann am 30. August in der Aula des Kollegiengebäudes statt, trotz den Versuchen des Coadjutors und der Universität, sie zu verhindern. Den Verlauf kennen wir nicht.

Auch an die Publizistik ist wieder zu erinnern. Sie dient vor Allem der neuen Bewegung, und in ihren Blättern leben die Stimme und die Tonart, die wir kennen. Wenn möglich noch gesteigert in Schärfe, in Witz, in Behauptung geistiger Überlegenheit. Wenn auch Erzbischof Albrecht von Mainz über die Basler Schmähbüchlein sich beschwert, Erasmus empört ist, der Luzerner Chronist Salat die durch Bettler Landfahrer Tüchleinträger Keßler usw. überall hin gebrachten Blätter als Hauptursache von Sektiererei und Aufruhr schilt, diese Volksliteratur hat und behauptet ihr unverwüstliches Leben. Es ist, dem kriegerischen Zeitalter eingeboren, die harte Ergänzung zum Frieden der Erbauung; es ist als Gegenstück zur gelehrten Disputation der populäre Kampf, neben dem feierlichen Klange des Wortes Gottes das grelle Menschenwort.

Empfohlene Zitierweise:
Rudolf Wackernagel: Geschichte der Stadt Basel. Dritter Band. Helbing & Lichtenhahn, Basel 1924, Seite 359. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wackernagel_Geschichte_der_Stadt_Basel_Band_3.pdf/380&oldid=- (Version vom 1.8.2018)