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Während die Wechselwirkung zwischen hier und draußen unvermindert weiterdauert, — die von Basel ausgehende Kraft neuer Lehre waltet in der westlichen Schweiz, in Bern, in Mümpelgart, in Mülhausen, in Straßburg, — zeigt am Orte selbst die reformatorische Bewegung in Manchem ihr Erstarktsein. Bald durch Zuwiderhandeln, bald durch einfaches Unterlassen finden alte Bräuche des kirchlichen Lebens ihre Lockerung oder gar ihr Ende. Die neugesinnten Chronisten verlieren kein Wort über diese Vorgänge; aber die Gegner werden beredt in ihrem Schmerz und ihrem Zorne, da sie zu erzählen haben, wie in der und jener Kirche die Predigt Fronamt und Litaneien vertreibt, wie die Andachten am Heiligen Grab unterlassen werden, wie Benediktionen und Prozessionen dahingehen, die Beichtstühle vereinsamen, es stille wird auf den Glockentürmen.

Es sind lauter Abkürzungen Entfärbungen, auch Befreiungen. Einem Beobachter wie Erasmus tut es nicht leid um das Verschwinden der Zeremonien; aber erschreckend ist ihm, daß auch die Taufe durch Manche verworfen und das Wesen der Eucharistie geleugnet wird, daß die Messe nichts mehr gelten soll.

Von welchen Gedanken dieses Beseitigen „äußerlich erdachten Gottesdienstes“ begleitet sein kann, zeigt die merkwürdig lebendige Eingabe der Webernzunft an den Rat, mit der sie ihren Entschluß motiviert, die Bezündung des Heiligkreuzaltars im Münster nicht mehr auszuführen.

Einige Vorgänge besonderer Art heben sich aus diesem Vielerlei.

Zuerst die Übergabe des Leonhardsklosters an die Stadt. Den Anlaß gab das Verbot der Windesheimer Kongregation, der St. Leonhard seit 1462 angehörte, Novizen anzunehmen. Da als Folge hievon das allmähliche Aussterben des Konvents und dann der Einzug des Klostervermögens durch den Orden zu erwarten war, traten die Chorherren, unter Leitung ihres reformationsfreundlichen Priors Lukas Rollenbutz, in Unterhandlung mit dem städtischen Rate. Dieser scheint nicht sofort willig gewesen zu sein; zuletzt verstand er sich zu einer gemeinsamen Abwehr. Am 1. Februar 1525 übernahm er vom Prior und Konvent das Kloster samt der Pfarrei und allem Vermögen als unwiderrufliche Gabe unter den Lebenden; er nahm die Klosterherren in Schirm und Bürgerrecht der Stadt auf, und zugleich verließen Diese den Augustinerorden; sie zogen statt der Kutte das Kleid von Weltgeistlichen an, blieben aber im Kloster und verpflichteten sich gegen Zusicherung eines Leibgedings vom Rate, solange ihre Kräfte reichen würden, Chor- und Kirchendienst nach bisheriger Übung zu besorgen. Eine besondre Verfügung regelte die Amtspflichten und Rechte des Leutpriesters sowie

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Rudolf Wackernagel: Geschichte der Stadt Basel. Dritter Band. Helbing & Lichtenhahn, Basel 1924, Seite 364. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wackernagel_Geschichte_der_Stadt_Basel_Band_3.pdf/385&oldid=- (Version vom 1.8.2018)