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Nur die Begier herrscht nach Aussprache, nach nichts verschweigender Debatte, nach Anklage der Herren, nach Abschüttelung aller Ungebühr und Last. Endlich einmal will auch der kleine Mann seinen Tag haben. Er ist nur der Bauer; aber er hat derselben Stadt, die ihn plagt und verachtet, auch ihre Kriege geführt; heute trägt er wieder die Waffen, deren Gebrauch er in diesen Jahrzehnten auf so manchem italiänischen Schlachtfelde gelernt hat.

Am 3. Mai, dem vom Rate für die Konferenz mit Ausschüssen bestimmten Tage, hat jetzt statt dieser das Volk selbst seine Landsgemeinde. Die Ratsgesandten weist es trotzig ab. Es tritt am Morgen vor dem obern Tore zusammen und verbindet sich mit einem Eide. Wieder sind Stör und Soder die Leiter. „Unsre Herren haben uns den Mantel, den Rock, das Wams, das Hemd und die Haut abgezogen, ja das Mark aus den Knochen gesogen!“ ruft Soder. „Daß Gottes Wunden sie schänden“, schreit ein Rotenfluher darein, „jetzt ist die Kehri an uns!“ Kein Warten gilt mehr. Das scharfe elektrisierende Sammel- und Alarmzeichen der Trommel ruft Nachmittags die Bauern aus allen Gassen heraus vors untere Tor. Sobald sie hier beisammen sind, ziehen sie davon und das Land hinab, der ganze wilde bewaffnete Haufe, Basel zu.

Dieser Zug war drinnen erwartet in Folge des Briefes Störs, der nicht an die Zünfte, sondern in die Hände des Rates gelangt war. Mehr als alles Andre bewirkte er an diesem 3. Mai die Verbündung von Räten und Zunftgemeinden gegenüber dem in der Stadt drohenden Aufstande. Jetzt war Basel einig und aufs Äußerste gefaßt. Noch war keine Nachricht da, daß die Bauern schon unterwegs seien.

Aber während Diese sich in Liestal zum Marsche gesammelt hatten, war durch die Ratsgesandten ein Eilbote mit der Meldung hievon abgesandt worden. Auf Umwegen über Füllinsdorf und Augst überholte dieser Reiter, der Söldner Ulrich Wiglin, den Bauernzug und traf Nachmittags in Basel ein.

Jetzt plötzlich war die Gefahr da, der Bauer ante portas. Die Stadt kam von einem Moment zum andern in einen Zustand von Sorge und Verteidigungsnotwendigkeit, den sie seit dem Schwabenkriege nicht mehr erlebt hatte. Alles sahen Ängstliche kommen: die Bauern durch die Tore eindringen, die ihre städtischen Helfer ihnen geöffnet, und über die Klöster, die Pfaffen, die Reichen herfallen. Alle Gassen waren voll Geschreis und Getümmels. Die Päpstischen zeigten offen ihre Furcht, sie glaubten sich die am meisten Bedrohten.

Aber die Behörde blieb besonnen. Angesichts der herankommenden und vielleicht auch im Innern lauernden Gefahr traf sie rasch ihre Maßregeln.

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Rudolf Wackernagel: Geschichte der Stadt Basel. Dritter Band. Helbing & Lichtenhahn, Basel 1924, Seite 372. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wackernagel_Geschichte_der_Stadt_Basel_Band_3.pdf/393&oldid=- (Version vom 1.8.2018)