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und überträgt am 27. Oktober 1524 dem Bonifacius die durch Cantiunculas Abgang erledigte Lektur in weltlichen Rechten. Aber der Gewählte hat noch nicht einmal den Doktortitel. Um diesen zu erwerben, reist er noch einmal, zum dritten Male, nach Avignon und doktoriert dort. Endlich zu Beginne des Jahres 1525 ist er fertig, trifft er in Basel ein und beginnt er hier noch im Sommer, mitten in den die Stadt bewegenden Unruhen, seine akademische Tätigkeit.

Fortan steht Bonifacius als Professor vor uns, als Inhaber des Lehrstuhles, den vor einem halben Jahrhundert die Italiäner innegehabt, dann Ulrich Kraft und zuletzt Cantiuncula. Wir lernen auch einige seiner Schüler kennen, den Petrus Vitellius, den Augustin Planta, den Johannes Sphyractes, den Johannes Oporin, den Sixt Birk, und vernehmen die Ansprache, die er bei Eröffnung des Kursus 1526 hält über die Bedeutung der Rechtswissenschaft für Staat und Gesellschaft, über die Notwendigkeit der Rechtsstudien. Sonst wird wenig von dieser akademischen Tätigkeit und von der juristischen Wissenschaft Amerbachs überhaupt spürbar. Er ist den Freunden nicht nur juris doctor, sondern auch linguarum doctissimus, und er selbst bekennt, daß er seine Professur nur gezwungen übernommen habe, daß das ganze große römische Altertum, die res latina, ihm mehr wert sei als alle Subtilität des römischen Rechts. In solcher Weise wirkt er durch die Zeugnisse seiner Zeit hindurch auch auf uns. Wo immer wir ihm begegnen, ist er nicht der fachgerechte Legist, sondern „der berühmte Doktor, der mit dem Jus die Elegantia aufs schönste verbindet“, der Humanist von allseitiger Bildung, von hoher persönlicher Kultur.

Bonifaz Amerbach hat kein Bedürfnis der auf Dauer bestimmten und ins Weite gehenden Produktion. Er ist damit zufrieden, sich in Gutachten, in Vorlesungen und im Freundesgespräche mitzuteilen. Neben so viel tätigen und schöpferischen Menschen, mitten im Geräusch allgemeinen Kampfes, will er für sich selbst nichts Anderes als die Seligkeit der Studienruhe. Ein zahmes Haustierchen nennt ihn Erasmus. Seine Freude ist der stille Genuß, den die Wissenschaften gewähren, ist der Verkehr mit allem Guten und Edeln auf Erden, zumal mit wohlgearteten Menschen.

Wohlgeartet ist vor Allen er selbst. Harmonisch, ohne Gewaltsamkeiten, anmutig. Vermöge der ihm von Jugend an eigenen Liebenswürdigkeit, der Treue, der Bildung, der Weltgewandtheit, des Reichtums wird er ein Mittelpunkt des geistigen Basel der 1520er Jahre, das an seinem dulcis convictus, an der Süßigkeit des Lebens mit ihm wohllebt. Die Führerschaft überläßt er Andern. Aber schon ein nur Hohes und Reines verehrender

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Rudolf Wackernagel: Geschichte der Stadt Basel. Dritter Band. Helbing & Lichtenhahn, Basel 1924, Seite 433. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wackernagel_Geschichte_der_Stadt_Basel_Band_3.pdf/454&oldid=- (Version vom 1.8.2018)