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Was uns wichtig ist an Paracelsus, liegt in diesen Lehren; sie führen ihn zu seinen dauernd wertvollen Leistungen für Physiologie und Therapie. Aber charakteristisch für ihn und seine Zeit ist dann, wie er seinen Empirismus mit naturphilosophischen und mystischen Phantasien zu verbinden im Stande ist.

Wie ein Blitz fährt dieses Neue durch die alten Meinungen und Zustände. Denn in aggressivster Weise, mit unerhörter Impetuosität trägt sich Paracelsus vor. Dazu in einer Sprache voll Empfindung und Bildkraft, der sein Selbstgefühl zuweilen einen fast marktschreierischen Ton gibt. „Mir nach“, ruft er den Ärzten und Hohen Schulen zu „mir nach und ich nicht Euch nach! Mir nach, Avicenna, Galen, Rhasis, Montagnana, Mesue; mir nach und ich nicht Euch nach, Ihr von Paris, Ihr von Montpellier, Ihr von Schwaben, Ihr von Meißen, Ihr von Köln, Ihr von Wien, und was an der Donau und Rheinstrom liegt; ihr Inseln im Meere, du Italia, du Dalmatia, du Athenis, du Griech, du Arabs, du Israelita, mir nach und ich nicht Euch nach! Ich werd Monarcha und mein wird die Monarchie sein!“ Der Wahlspruch dieses unerschrockenen und mächtigen Menschen ist, daß wer sein Eigner sein könne, keines Anderen sein solle.

Wir sehen, wie gerade in diesen Jahren hier in Basel Gelehrte und Drucker einem neuen Kultus der alten Klassiker der Medizin dienen. Mitten hinein tritt nun Paracelsus, dieselben Schriftsteller als Irrlehrer bekämpfend, die zu Nutz und Frommen der Heilkunde wieder zu frischem Leben aufgerufen werden. Cornarius und Paracelsus nahe beisammen bewegen dasselbe Basel.

Bei dem Allem haben wir uns zu vergegenwärtigen, wie stark Paracelsus wirkt. Er hält im Kollegiengebäude seine Vorlesungen, in deutscher Sprache, vor vielen Hörern, täglich zwei Stunden, auch während der Hundstagsferien; in diesen Vorlesungen teilt er sein System mit, den Reichtum seiner Gedanken; viele der später gedruckten Schriften sind der Niederschlag dieser Basler Offenbarungen. Seine Studenten nimmt er bei Krankenbesuchen mit, auf Ausflügen lehrt er sie die Arzneipflanzen kennen, er leitet sie an zu chemischen Arbeiten. Daneben einher geht seine amtliche Tätigkeit als Physikus und seine ärztliche Privatpraxis.

Der Erregtheit des rastlos beschäftigten und von der Überzeugung seiner großen reformatorischen Aufgabe erfüllten Mannes antwortet von allen Seiten — Dozenten Ärzten Scherern Apothekern Laien — her Befeindung. Von Anbeginn. Kaum ist Paracelsus in Basel aufgetreten, sein Wesen bekannt, so gilt er schon als Ketzer der Arznei, als Studentenverführer. Hinter seinem Rücken gehen Schmähreden, wird der „tolle Stierkopf“, der

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Rudolf Wackernagel: Geschichte der Stadt Basel. Dritter Band. Helbing & Lichtenhahn, Basel 1924, Seite 438. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wackernagel_Geschichte_der_Stadt_Basel_Band_3.pdf/459&oldid=- (Version vom 1.8.2018)