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aufhören samt dem Greuel ihrer Messe, soll die vom Rate verkündete allgemeine Gewissensfreiheit nicht gelten. In solcher Meinung erheben sie sich gegen den Rat und sind gewiß, damit nur ihre Pflicht zu tun. Ruhig und fest nehmen sie sich das Recht, der Obrigkeit, die ihren Seelen und Gewissen zu nahe tritt, offenen Widerstand zu tun.

Am 22. Oktober 1527, nach der Predigt, versammelten sich einige Hundert Evangelische im Augustinerkloster. Von der noch immer fehlenden Einigkeit im Predigtwesen, von der Mißachtung der obrigkeitlichen Mandate durch die Altkirchlichen wurde geredet, bessere Handhabung der Mandate verlangt und zur Vertretung dieser Begehren vor dem Rat ein Dreißigerausschuß bestellt. Es war keine brausende Jugend, die so handelte; „alte redliche Männer“ bildeten die Versammlung. Durch Abgeordnete ließ der Rat in ihr zur Güte reden; am folgenden Sonntag aber, in den verschiedenen Zunfthäusern, gab er zu vernehmen, daß er an dem Geschehenen Mißfallen habe und künftige Zusammenrottungen bestrafen werde.

Überall, wo Revolutionen beginnen, sehen wir der ordentlichen Behörde gegenüber das neue Leben in Klubs und Ausschüssen offenbart. Hier bilden sich die Programme, die Forderungen, die Führer. Jetzt in diesem Basel ruhte noch in besonderer Weise die Bedeutung solcher Ausschüsse darauf, daß sie und nur sie eine Repräsentanz des Volkes waren. Der Große Rat, so wie er bestellt wurde, konnte unmöglich als eine Volksvertretung gelten; dem entsprach die klägliche Rolle, die er diese ganze große Reformbewegung hindurch zu spielen gehalten war. Das Volk, die Gemeinde, fand sich selbständig und außerhalb des Großen Rates zusammen, und über ihn hinweg verhandelte und verkehrte es durch das Mittel von Ausschüssen mit der Regierung.

Von Aufruhr redete der Rat und drohte mit Strafen. Aber das Volk ließ sich nicht Stille gebieten. Der ersten Versammlung folgten andre gleicher Art, und wie schon dort ein gemeinsames Schmausen und Trinken sich an das Verhandeln geschlossen hatte, so geschah dies auch bei den spätern Anlässen.

Ganz neue Bilder entstehen vor unsern Augen. Diese bis dahin ungewöhnlichen Versammlungen und Zweckessen, diese Ausschüsse. Völlig profan und fast revolutionär sind die Formen. Wenn auch zunächst nur von Glaubens- und Kirchensachen die Rede sein mag, so wirken doch umfassendere Kräfte. Allgemeine Interessen der Bürgerschaft sind beteiligt. Sie ists, die mit dem Rate redet, nicht der Predikant. Die Geistlichen sehen sich hineingerissen in dies Treiben, das die Versammlung im Gotteshaus

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Rudolf Wackernagel: Geschichte der Stadt Basel. Dritter Band. Helbing & Lichtenhahn, Basel 1924, Seite 495. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wackernagel_Geschichte_der_Stadt_Basel_Band_3.pdf/516&oldid=- (Version vom 1.8.2018)