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Pfarrer und „biblisch belehrte“ Laienobrigkeit sich die Hand zu gemeinsamer Herrschaft reichen über eine Stadt, deren Bürgerrecht oder Niedergelassenenrecht ohne die Zugehörigkeit zur neuen Kirche nicht erlangt werden kann.

Ziel dieser durch Staats- und Kirchenbehörden gemeinsam ausgeübten Herrschaft ist die Verwirklichung des Gottesreiches auf Erden. Im ausschließlichen Sinne der Norm, nach der die neue Kirche sich gebildet hat und geordnet ist. Dem Ziele dienen strenge Mandate und alle die Mittel, mit denen auf die Überzeugung gewirkt wird. Der vor Kurzem noch verkündete Grundsatz des Basler Rates, daß Jeder in seinem Glauben frei und alles Tun und Lassen in kirchlichen Dingen eines Jeden Conscienz heimgestellt sein solle, gilt nicht mehr. Die Evangelischen, als Partei jeder „Zwiespältigkeit“ von Predigt usw. feind, haben jenen Grundsatz schon damals bekämpft; jetzt, da sie den evangelischen Einheitsstaat einrichten, wird der Zwang, dem sie früher das Wort geredet, Staatsprinzip. Diese Intoleranz ist Notwendigkeit, ist Gebot der Selbsterhaltung für den konfessionellen Staat und seine Kirche.

Aber wie seufzt Amerbach unter dem ihm auferlegten Zwange zu Predigtbesuch und Abendmahlsgenuß; er ist willens, auszuwandern, wenn ihm nicht Freiheit gelassen wird.

Wie bei ihm so bei andern äußert sich das unbeirrbare Innenleben Einzelner. Es ist schon in den Zeiten der alten Kirche — in Vielem durch diese nicht befriedigt — vorhanden gewesen. Es hat der reformatorischen Bewegung ihre Macht gegeben. Auch da die Reformation durchgeführt ist, wirkt und wächst es, neben der für uns die Überlieferung allzusehr beherrschenden Gestaltung des Äußern.

In solcher innerlichen Religiosität des Einzelnen mögen die Reinheit und der Enthusiasmus der reformatorischen Anfangszeiten weiterleben. Für die allgemeinen Zustände aber ist nicht sie bestimmend, sondern die Umwandlung der Reformation aus einer Volkssache in eine Regierungssache und die zwingende Härte der staatskirchlichen Führung.


Mit dieser großen und gründlichen Umgestaltung, der „Reformation in geistlichen Sachen“, verband sich eine politische Änderung. Hinter den Zeugnissen dieser Verfassungsrevision tritt in den Aufzeichnungen der Zeit die geistliche Sache zurück.

Noch am Abend des aufregenden 9. Februar, während die Revolutionäre über ihren Sieg jubelten, ließ der Rat Eilbriefe an die befreundeten Städte abgehen. Er sah sich durch das Volk bezwungen und mußte einen Weg

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Rudolf Wackernagel: Geschichte der Stadt Basel. Dritter Band. Helbing & Lichtenhahn, Basel 1924, Seite 520. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wackernagel_Geschichte_der_Stadt_Basel_Band_3.pdf/541&oldid=- (Version vom 1.8.2018)