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geführt worden: es zeigte sich kein Versuch, in irgend geistvoller, ja nur geschickter Weise eine Entgegnung zu Stande zu bringen. Gröbliche Anfälle und schimpfende Abwehr der dem Verfasser des Aufsatzes untergelegten, für unsre aufgeklärten Zeiten so schmachvollen, mittelalterlichen Judenhaß-Tendenz, waren das Einzige, was neben absurden Verdrehungen und Fälschungen des Gesagten zum Vorschein kam. Nun aber ward es anders. Jedenfalls nahm sich das höhere Judenthum der Sache an. Das Aergerliche war diesem überhaupt das erregte Aufsehen: sobald man meinen Namen erfuhr, war durch ein Hineinziehen desselben nur noch die Vermehrung dieses Aufsehens zu befürchten. Dieses vermeiden zu können war eben dadurch an die Hand gegeben, daß ich meinem Namen einen Pseudonym substituirt hatte. Es erschien nun räthlich, mich als den Verfasser des Aufsatzes fortan zu ignoriren, und zugleich alles Gerede darüber selbst aufhören zu lassen. Dagegen war ich ja an ganz anderen Seiten anzufassen: ich hatte Kunstschriften veröffentlicht und Opern geschrieben, welch letztere ich doch jedenfalls aufgeführt wissen wollte. Meine systematische Verleumdung und Verfolgung auf diesen Gebieten, mit gänzlichem Secretiren der unangenehmen Judenthumsfrage, versprach jedenfalls die erwünschte Wirkung meiner Bestrafung.

Er wäre gewiß anmaßlich von mir, der ich damals gänzlich zurückgezogen in Zürich lebte, wollte ich eine genauere Bezeichnung des inneren Getriebes der hiermit gegen mich eingeleiteten und in immer weiterer Verbreitung fortgesetzten, umgekehrten Judenverfolgung versuchen. Nur die Erfahrungen, welche Jedermann offenliegen, will ich berichten. Nach der Aufführung des „Lohengrin” in Weimar, im Sommer 1850, traten in der Presse Männer von bedeutendem litterarischen und künstlerischen Rufe, wie Adolf Stahr[WS 1] und Robert Franz[WS 2], verheißungsvoll hervor, um auf mich und mein Werk das deutsche Publicum aufmerksam zu

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Richard Wagner: Das Judenthum in der Musik (1869). J.J. Weber, Leipzig 1869, Seite 35. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wagner_Das_Judenthum_in_der_Musik_1869.pdf/33&oldid=- (Version vom 1.8.2018)

  1. Adolf Stahr (1805–1876), Philologe in Oldenburg, ab 1852 Berlin, verheiratet mit der Romanschriftstellerin Fanny Lewald (1811–1889), „der von Wagners Musik bis zu Tränen erschüttert, von seinem Juden-Aufsatz bis zu bleichem Entsetzen abgestoßen war“ (Martin Gregor-Dellin: Richard Wagner – Sein Leben – Sein Werk – Sein Jahrhundert, München 1980, S.317). Schrieb mehrere Werke über die deutschen Klassiker.
  2. Robert Franz (1815-1892), Universitäts-Musikdirektor in Halle an der Saale, Komponist romantischer Lieder.