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Mit dem Abfalle eines bisher warm ergebenen Freundes, eines großen Violinvirtuosen[WS 1], auf welchen das Medusenschild doch endlich auch gewirkt haben mochte, trat jene wüthende Agitation gegen den nach allen Seiten hin großmüthig unbesorgten Franz Liszt ein, welche ihm endlich die Enttäuschung und Verbitterung bereitete, in denen er seinen schönsten Bemühungen, der Musik in Weimar eine fördernde Stätte zu bereiten, für immer ein Ziel steckte.

Sind Sie, verehrte Frau, nun über die Verfolgungen, denen seinerseits unser großer Freund ausgesetzt war, weniger verwundert, als über diejenigen, welche mich betroffen haben? – Vielleicht würde es Sie dann täuschen, daß Liszt allerdings durch den Glanz seiner äußerlichen Künstlerlaufbahn den Neid, namentlich der steckengebliebenen deutschen Collegen, auf sich gezogen hatte, außerdem aber durch sein Aufgeben der Virtuosenlaufbahn, und durch sein bis dahin nur vorbereitetes Auftreten als schaffender Tonsetzer, einen leicht auftauchenden, und daher vom Neide wiederum leicht zu nährenden Zweifel an seiner Berufung hierzu, in ziemlich begreiflicher Weise geweckt hat. Ich glaube jedoch mit Dem, was ich später noch berühren werde, nachweisen zu können, daß im tiefsten Grunde hier diese Zweifel nicht minder, als dort meine angeblichen Theorien, eben nur den Vorwand zu dem Verfolgungskriege abgaben: wie auf diese, so genügte es auf jene genauer hinzublicken und sie, mit dem richtigen Eindrucke von unsrem Schaffen, in Erwägung zu ziehen, so stand bald die Frage auf einem ganz anderen Punkte; da konnte dann geurtheilt, discutirt, für und wider gesprochen werden: am Ende wäre Etwas dabei herausgekommen. Aber gerade davon war nicht die Rede, ja, eben dieses nähere Beachten der neuen Erscheinungen wollte man nicht aufkommen lassen; sondern mit einer Gemeinheit des Ausdruckes und der Insinuation[WS 2], wie es sich in keinem ähnlichen

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Richard Wagner: Das Judenthum in der Musik (1869). J.J. Weber, Leipzig 1869, Seite 40. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wagner_Das_Judenthum_in_der_Musik_1869.pdf/38&oldid=- (Version vom 1.8.2018)

  1. Joseph Joachim (1831–1907) kam 1850 als 19jähriger nach Weimar und schloß sich eng an Liszt an; er verließ Weimar am 15. Dezember 1852 und wurde Konzertmeister in Hannover; später wurde er einer der entschiedensten Anhänger Brahms’ – wechselte mithin zur Gegenpartei über.
  2. Insinuation (lat.: insinuatio = Eingang, Einschmeichelung), die (postalische) Zustellung von Urkunden, aber auch eine Unterstellung oder Verdächtigung.