Seite:Walter Benjamin Einbahnstrasse.pdf/78

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

Wiege. Und wenn man ihnen zuhört, wird man inne, welche Verlogenheit im Reisen steckt.


BETTELN UND HAUSIEREN VERBOTEN!

Den Bettler ehrten alle Religionen hoch. Denn er belegt, daß Geist und Grundsatz, Konsequenzen und Prinzip in einer so nüchternen und banalen als heiligen und lebenspendenden Sache, wie das Almosengeben es war, schmählich versagen.

Man führt Klage über die Bettler im Süden und man vergißt, daß ihr Beharren vor unserer Nase so gerechtfertigt ist, wie die Obstination des Gelehrten vor schwierigen Texten. Kein Schatten des Zögerns, kein leisestes Wollen oder Erwägen, das sie in unseren Mienen nicht ausspürten. Die Telepathie des Kutschers, der uns mit seinem Ruf erst deutlich macht, daß wir nicht abgeneigt zu fahren sind, des Krämers, der aus seinem Plunder die einzige Kette oder Kamee, die uns reizen könnte, heraushebt, sind vom gleichen Schlage.


ZUM PLANETARIUM

Wenn man, wie einst Hillel die jüdische Lehre, die Lehre der Antike in aller Kürze, auf einem Beine fußend, auszusprechen hätte, der Satz müßte lauten: „Denen allein wird die Erde gehören, die aus den Kräften des Kosmos leben.“ Nichts unterscheidet den antiken so vom neueren Menschen, als seine Hingegebenheit an eine kosmische Erfahrung, die der spätere kaum kennt. Ihr Versinken

Empfohlene Zitierweise:
Walter Benjamin: Einbahnstrasse. Rowohlt, Berlin 1928, Seite 80. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Walter_Benjamin_Einbahnstrasse.pdf/78&oldid=- (Version vom 9.6.2018)