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„Schwarzen Roß“ die Einquartierung und „Drangsalierung“ nicht auf. Wenn das alte Gebäude reden könnte, von wieviel Not damaliger Zeit würde es uns erzählen!

Die russische Armee war bei Dresden von den Franzosen zurückgedrängt worden. Napoleon hatte den Übergang über die Elbe erzwungen und jagte die Russen vor sich her. Bei Bühlau und Weißig kam es am 11. Mai 1813 zum Treffen, die Russen wurden abermals geschlagen. Sie zogen sich auf der Bautzener Straße immer mehr zurück. Bei Fischbach, in unmittelbarer Nähe des „Schwarzen Rosses“ und der jetzigen Oberförsterei, machten sie Halt. Die Nacht war angebrochen. Am 12. Mai 1813, früh 8 Uhr, begann hier und bei Arnsdorf das Gefecht abermals. Die Russen versuchten die nachdringenden Franzosen aufzuhalten, allein vergebens. Erst auf dem Kapellenberge bei Schmiedefeld konnten die Russen auf einige Stunden festen Fuß fassen. Bald aber entspann sich ein mörderischer Kampf, in dem auch Schmiedefeld ein Raub der Flammen wurde. Die Bewohner aus Fischbach, Wilschdorf, Schmiedefeld und den benachbarten Orten hatten schon Tage vorher Zuflucht in den nahen Wäldern genommen, wohin sie auch ihr Vieh und ihre Habseligkeiten, um sie vor der Raubgier der Feinde sicherzustellen, gebracht hatten.

Von Ende Mai bis zum Oktober wurden auf der Bautzener Straße am „Schwarzen Roß“ vorüber Tausende von Verwundeten auf Schiebeböcken und Karren in das Hauptlazarett nach Dresden gebracht. Aus der Umgegend mußten Karren gestellt werden, so an einem einzigen Tage im Juni aus den beiden Ämtern Radeberg und Stolpen über 3000 Schiebeböcke mit Bemannung. Die Gasthöfe zum „Fuchs“ und zum „Schwarzen Roß“ waren die Punkte, an welchen die Beorderten einzutreffen hatten. Vgl. „Der Fuchs bei Schmiedefeld“.

Bis zur Eröffnung der Schlesischen Bahnlinie 1846 herrschte reger Verkehr im Gasthause „Zum Schwarzen Rosse“. Vor dieser Zeit wurden die Frachtgüter zwischen dem Osten und Westen unseres Vaterlandes mittels Fuhrwerken befördert. Die Bautzener Landstraße war diejenige, welche den Hauptverkehr hatte. Das „Schwarze Roß“ bildete in jener Zeit eine wichtige Station für die Fuhrleute und für das reisende Publikum. Oftmals waren hier so viele Wagen aufgestellt, daß die Wagenreihe vom Gasthause bis hinauf zum ehemaligen Chausseehause an der Kreuzung der Bautzener und Stolpener Straße reichte. An manchen Abenden waren über 100 Pferde unterzubringen und fast ebensoviel Personen. Mit besonderer Vorliebe blieben hier im „Schwarzen Roß“ die polnischen Juden, welche die Leipziger Messe bezogen. Dieselben hatten ihr Gastzimmer für sich; dasselbe besteht heute noch, freilich ist es jetzt die Geschirrkammer geworden. Die eigentliche Gaststube war damals viel größer als gegenwärtig. Ein großer Teil derselben ist zur Küche eingerichtet und abgetrennt worden. Täglich wurden damals 1 bis 2 Zentner Fleisch verspeist und mehrere „Eimer“ Bier verzapft. Aus allen Gegenden trafen die Reisenden hier zusammen. Mit dem Jahre 1846 wurde es aber, wie schon erwähnt, anders. Von Jahr zu Jahr stellten sich weniger Fuhrleute ein, und zuletzt blieben sie ganz aus. Doch hat darum das „Schwarze Roß“ noch immer seine Gäste, und gern nimmt der Wanderer unter den schattigen Bäumen im Garten, auf der „Wilhelmshöhe“, einem erhöhten Platze zwischen den Kronen einiger Linden, wohin man auf einer Treppe gelangt, oder am braunen Tische in der Gaststube Platz. Auch am Abend finden sich stets treue Stammgäste im „Schwarzen Roß“ ein. Wer Sinn für die Vergangenheit hat, wer noch die ländliche Einfachheit liebt, der hält gern hier

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Friedrich Bernhard Störzner: Was die Heimat erzählt. Arwed Strauch, Leipzig 1904, Seite 077. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Was_die_Heimat_erz%C3%A4hlt_(St%C3%B6rzner)_077.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)