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nächsten Jahre trieben die Oberlausitzer den Feind nach Böhmen zurück, nachdem die Hussitenführer mit 18 000 Mann die Vorstädte Löbaus verbrannt und Heinrich von Wildenstein Königswarthe in Asche gelegt und das Kamenzer Gebiet geplündert hatten. 1426 drangen mit den übrigen Oberlausitzern 60 wackere Kamenzer mit in Böhmen ein und beteiligten sich am 16. Juni mit an der mörderischen und blutigen Schlacht bei Außig. Sie erlitten freilich bedeutende Verluste. Die Lausitz rüstete von neuem; denn der Kampf wurde jetzt immer ernster, da die Hussiten abermals die Grenze überschritten hatten und furchtbare Rache zu nehmen drohten. Kamenz stellte diesmal 200 Schützen, die wohlausgerüstet waren und zum Hauptheere bei Zittau 1427 stießen. Doch die Hussiten waren im Vorwärtsdringen nicht mehr aufzuhalten. Die Oberlausitzer mußten der Uebermacht Prokops weichen, obgleich sie mutig und tapfer sich geschlagen hatten. Ostritz, Kloster Marienthal und Hirschfelde gingen in Flammen auf, auch Lauban mußte die Wut der fanatischen Mordbrenner empfinden. Die Bewohner wurden erbarmungslos niedergemetzelt, weder Greis noch Kind schonte man, selbst die in die Kirchen Geflüchteten ereilte das Verhängnis. Die Nonnen jagte man aus dem Kloster und schleuderte sie sodann in die Flammen. Das Würgen von seiten der Hussiten war furchtbar und ist kaum zu beschreiben. Angst und Entsetzen ergriffen die Bewohner der Lausitz. Man befürchtete das Schlimmste. Im Jahre 1428 bestürmte Prokop Budußin. Doch die wackeren Bürger begrüßten ihn von den festen Mauern und von den trotzigen Türmen herab mit Steinen, mit siedendem Pech und Wasser. Die Hussiten mußten die Belagerung dieser wohlverschanzten Stadt endlich aufgeben. Prokop schnaubte vor Wut und nahm nun seinen Weg, den rauchende Trümmerhaufen bezeichneten, nach der Kamenzer Gegend. Ein zweites Hussitenheer wandte sich nach Löbau. Dasselbe verlor darauf bei Zittau im Kampfe gegen den Landvogt Albrecht von Colditz nicht weniger als 1000 Mann und zog sich nunmehr nach Böhmen zurück. Prokop drang aber weiter nach Westen zu vor. Schrecken ergriff die Bewohner der Kamenzer Pflege. Die Leute flüchteten in die nahen Wälder oder suchten, wenn es noch möglich war, Schutz hinter den festen Mauern der Stadt Kamenz. Die Verwirrung war grenzenlos, das Entsetzen groß. Elstra, Pulsnitz, das Kloster Marienstern, ferner die Herren von Kamenz und von Ponikau sandten dem raubgierigen Feinde Geldgeschenke entgegen, um Schonung zu erhalten. Bis in die Königsbrücker Gegend glichen die Dörfer rauchenden Trümmerstätten. An Kamenz ging das Unheil noch einmal vorüber, doch im nächsten Jahre sollte es umso schlimmer werden. Das Jahr 1429 begann mit neuen Greueltaten der Hussitten. Am 1. Januar legten diese die Stadt Löbau in Asche, und die umliegenden Ortschaften erlebten namenlosen Jammer. Die Städte beschränkten sich neun bange Monate hindurch auf die Bewachung ihrer Wälle. Es herrschte Schwüle vor dem Sturme und Gewitter. Die Hussiten entfalteten plötzlich von neuem eine lebhaftere Tätigkeit. In Bischofswerda, Pulsnitz, Königsbrück, Wittichenau und Kloster Marienstern loderten auf einmal mächtige Feuersäulen empor und röteten den ganzen Himmel viele Nächte hindurch. Die Hussiten verkündeten ihr Nahen. In den Herzen der Kamenzer wuchs die Angst sehr. Schon der 3. Oktober führte die Mordbrenner vor die Tore der Stadt Kamenz. Sie forderten, daß man die Tore öffne, aber die tapferen Kamenzer, in voller Uebereinstimmung mit einer großen Anzahl „Eingeflüchteter“ und mehrerer Ritter, wiesen dieses Ansinnen einmütig zurück. Dadurch wurden natürlich die Hussiten sehr gereizt und schwuren der Stadt den Untergang. Sie

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Friedrich Bernhard Störzner: Was die Heimat erzählt. Arwed Strauch, Leipzig 1904, Seite 290. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Was_die_Heimat_erz%C3%A4hlt_(St%C3%B6rzner)_290.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)