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Lausitz Sachsens. Da grüßen aus der Ferne der turmgekrönte Schwedenstein bei Obersteina-Pulsnitz, der sagenumwobene Sibyllenstein bei Elstra, der Valtenberg bei Niederneukirch-Bischofswerda. Das Auge überschaut das weitausgedehnte Waldmeer der Masseney. Von Südosten herüber grüßt die althistorische Bergfestung Stolpen. Wer ein Freund von Gottes schöner Natur ist, der wird immer und immer wieder seine Schritte nach dem Spitzberge lenken, zu dem von Augustusbad aus verschiedene Wege um und durch den herrlichen Lampertswald führen. Zu jeder Zeit des Jahres ist eine Wanderung durch diesen Wald höchst anziehend, sei es im Winter, wenn alles tief verschneit ist und die ernsten Bäume im schönsten Winterschmucke prangen, sei es im Frühlinge, wenn das Leben im Walde von neuem erwacht, oder sei es im Hochsommer, wenn der Wanderer gern des Waldes Kühle aufsucht. An einem Wege, der nach dem Spitzberge führt, findet man fast mitten im Lampertswalde ein einfaches Denkmal, das folgende Inschrift trägt:

„Dem treuen Hüter dieses Waldes.
Johann Traugott Görner.
† 1885“

Der Lampertswald ist auch ein Heimgarten der Frau Saga. Hier lauscht und flüstert sie seit Jahrhunderten und weiß zu berichten, daß einst hier im stillen Waldesgrün ein stattliches Dörflein stand. Dasselbe soll den Namen Lampertswalde getragen haben. Längst aber ist es im Kampf und Streit untergegangen. Seine Trümmer haben Moos und Heidekraut verhüllend umschlungen. Nicht unmöglich ist es, daß man beim Nachgraben auf Mauerreste stoßen könnte. Lampertswalde ist jedenfalls im Hussitenkriege verwüstet worden, wie noch so mancher Ort in seiner Nähe, z. B. Diensdorf bei Seifersdorf, Rudigersdorf in der Masseney, Reinhardtswalde oder Ludwigsdorf im Karswalde bei Arnsdorf, Rottwerndorf bei Großerkmannsdorf. Die Bewohner fanden sicherlich den Tod im Kampfe um den heimischen Herd, oder sie flüchteten in die umliegenden Wälder. Man baute den verwüsteten Ort nicht wieder auf, und bald hatte der Wald sich da ausgebreitet, wo einstmals glückliche Menschen wohnten.

Wer die Sprache des Waldes versteht, der wird in seinem Rauschen so manches vernehmen. Da erheben sich im Vollmondschein zur Mitternacht kleine, strohbedeckte Hütten um einen freien Platz. In der Mitte desselben plätschert der Dorfbrunnen. Hierher kommen am Abende die Mädchen, um Wasser zu schöpfen und – um zu plaudern. Unter einer alten Linde, die weitaus ihre Äste breitet, sitzen die Männer und halten wichtige Beratungen ab, oder sie lauschen den Erzählungen eines Greises. In einiger Entfernung tummeln sich die Kinder in fröhlichem Spiele. Vor den Türen der Hütten stehen die Frauen und schauen dem lustigen Treiben ihrer Kinder zu.

Das Rinnsal, welches einst mitten durch den Lampertswald floß und den

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Friedrich Bernhard Störzner: Was die Heimat erzählt. Arwed Strauch, Leipzig 1904, Seite 042. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Was_die_Heimat_erz%C3%A4hlt_(St%C3%B6rzner)_042.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)