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Am Kirchberge vorüber führt quer durch das wüste Dorf ein alter Waldweg, der die Dörfer Kleinwolmsdorf, Wilschdorf und Dittersbach seit den ältesten Zeiten verbindet. Denselben nannte man früher den Reinhardtswalder Weg. Er gilt allgemein als der frühere Weg, auf dem die Reinhardtswalder nach den erwähnten Dörfern gingen. Auf einem Hügel hart an diesem Wege stand der Kirche gegenüber die alte Dorfschenke. Noch vor Jahrzehnten sah man hier Mauerreste und alte Gewölbe, ja sogar einen verfallenen Backofen. In den Gewölben lagen Flaschen, Teller, Schüsseln und Töpfe, die altertümliche Formen zeigten und gut erhalten waren. Ein Mann aus Kleinwolmsdorf nahm diese alten Fundgegenstände mit nach Hause und hat sie in seinem Haushalte viele Jahre benutzt, bis sie mit der Zeit leider ganz verloren gingen. In der Nähe des alten Backofens entdeckte man unter dem Steingeröll einen umfangreichen und mit Steinen regelrecht belegten Platz, wahrscheinlich den Hof des alten Reinhardtswalder Wirtshauses. Heute ist von diesen Trümmern leider nichts mehr zu sehen, da man dieselben beseitigt, den Platz geebnet und in eine Wiese umgewandelt hat. Aber unter der Oberfläche dieser Waldwiese, in 1/2 m Tiefe, stößt man noch jetzt auf den mit Steinen belegten Hof des Reinhardtswalder Gasthauses.

Warum zerstörten die Hussiten das Dorf Reinhardtswalde?

Reinhardtswalde lag im Stifte Meißen. Der damalige Bischof von Meißen hatte, als er noch Rektor der Universität Leipzig war, dem Todesurteile, das man über Huß ausgesprochen hatte, zugestimmt. Hierfür suchten sich die Hussiten zu rächen und plünderten und brandschatzten besonders die Dörfer in der Nähe des Schlosses Stolpen, wo der Bischof damals sich aufhielt. Nachdem die Hussiten das Städtchen Jockrim bei der Burg Stolpen, dann die Dörfer Röthendorf und Letzsche dem Erdboden gleichgemacht hatten, brandschatzten sie auch die umliegenden Ortschaften. Reinhardtswalde war den Bischöfen besonders lieb und wert. Die Reinhardtswalder galten als vermögende Leute und zahlten hohen Zins an den Bischof. Das wußten die Hussiten. Deshalb zündeten sie Reinhardtswalde eines Tages an allen Ecken und Enden an und verwandelten dieses stattliche Dorf in einen rauchenden Trümmerhaufen. Nicht ein Haus blieb stehen. Alles wurde dem Erdboden gleichgemacht. Die Bewohner des brennenden Dorfes wurden aber zur höchsten Wut getrieben und warfen sich mit allerhand Waffen tigerähnlich auf den erbarmungslosen Feind. So kam es zwischen den Hussiten und den Reinhardtswaldern zu einem blutigen Kampfe. Doch die Reinhardtswalder unterlagen. Weiber, Kinder und Greise flüchteten in die umliegenden Wälder. Die Männer und Jünglinge aber fanden fast alle ihren Tod im Kampfe um den heimischen Herd, im Kampfe um Weib und Kind. Das Blut soll nach der Sage in Bächlein über den Waldboden gelaufen sein. Die Waldwiese aber, auf der die Hussiten bei Reinhardtswalde ihr Lager aufgeschlagen hatten und auf der es zwischen ihnen und den unglücklichen Bewohnern von Reinhardtswalde zum verzweiflungsvollen Kampfe kam, führt zur Erinnerung an jenes traurige Ereignis, zur Erinnerung an den Untergang der Reinhardtswalder Männer und Jünglinge, noch heute den Namen: „Die Krigkwiese“. [Kriegwiese.]

Was wurde nun aus den noch am Leben gebliebenen Bewohnern von Reinhardtswalde?

Die geflohenen Kinder, Weiber und Greise von Reinhardtswalde fanden liebevolle Aufnahme in den benachbarten Dörfern, besonders in Kleinwolmsdorf und Wilschdorf. Das Dorf Reinhardtswalde wurde aber nicht wieder aufgebaut. Es blieb ein Trümmerhaufen, den bald Heidekraut und Wald

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Friedrich Bernhard Störzner: Was die Heimat erzählt. Arwed Strauch, Leipzig 1904, Seite 053. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Was_die_Heimat_erz%C3%A4hlt_(St%C3%B6rzner)_053.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)