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überzog. Nachdem einige Jahre vergangen waren, wurde der Grundbesitz auf staatliche Anordnung geteilt. Zu dieser Verteilung erhielten die Bewohner von Wilschdorf und Kleinwolmsdorf, da dortselbst die geflüchteten Reinhardtswalder sich aufhielten, Einladung. Sie sollten die Flur von Reinhardtswalde für die rückständigen Steuern übernehmen. Doch die Wilschdorfer waren gar nicht erschienen und hatten sämtlich abgesagt. Nun wurde die Reinhardtswalder Flur den Kleinwolmsdorfern durch den Staat zugesprochen.

Die Sage erzählt über diese Verteilung folgendes:

Bei der Verteilung des wüsten Dorfes Reinhardtswalde ging nicht alles ab. Eine Frau aus Reinhardtswalde, die in Kleinwolmsdorf im Hause Nr. 66 wohnte, sagte: „Ich nehme, was übrig bleibt.“ – Und es blieben „34 Acker“ (68 Scheffel) Wald übrig. Dieses kleine Waldgebiet heißt in Urkunden „Der Frau ihr Holz“. Heute nennt man es das „Frauenholz“.

Diese Frau hinterließ keine Erben. Dadurch kam das Frauenholz wieder an den Staat und wurde im Jahre 1852 vom Lehnrichter Hübner in Kleinwolmsdorf durch Tauschhandel erworben. Hübner trat für das Frauenholz, das etwa 1/2 km westlich von der Bahnlinie „Arnsdorf–Pirna“ liegt, den Pinchteich und Flüchteich an den Staat ab, der dieselben entwässern ließ und bewaldete.

Das wüste Dorf ist eine reiche Sagenstätte. Hier lauscht und flüstert die Sage seit Jahrhunderten. Viel wissen die Leute von hier sich zu erzählen. Einige der schönsten Sagen mögen hier folgen:

Vor vielen, vielen Jahren, als noch Wildschweine unsere Wälder bewohnten, wurde im wüsten Dorfe eine Glocke aufgefunden. Dieselbe war von einem Wildschwein aus der Erde gewühlt worden. Eine Henne scharrte die noch mit Erde bedeckte Glocke frei und eine Frau, mit Namen Hanne, soll diese Glocke im Walde beim Beerensuchen gefunden haben. Seit jener Zeit hängt die aufgefundene Glocke auf dem Kirchturme des benachbarten Wilschdorf und ist von den drei dortigen Kirchenglocken die kleinste und älteste. Dieselbe ist noch gut erhalten, nur der untere Rand ist etwas beschädigt, doch ist trotzdem der Klang rein und silberhell. Noch heute ruft sie allsonntäglich die Beter zum Gotteshause. Eine Jahreszahl enthält die Glocke nicht, ebenso fehlt auch jede andere Inschrift. Aus dem Klange dieser altehrwürdigen Glocke hat man früher die Worte hören wollen:

„Saue wühle,
Henne scharre,
Hanne fand se.“ –

Vor Jahren ging zur Sommerzeit ein Handwerksbursche von Dittersbach nach Kleinwolmsdorf. Er benützte den alten Reinhardtswalder Weg und kam um die Mittagsstunde durch das wüste Dorf. Heiß brannte die Sonne nieder, doch wohltuend war der kühle Schatten des Waldes. Da stand, als er in einen stillen Wiesengrund kam, hart am Wege ein altes, mit Stroh gedecktes Wirtshaus, aus dem lustige Töne klangen. Er trat näher und merkte, daß hier eine Hochzeit gefeiert und in der niedrigen Gaststube Hochzeitstanz abgehalten wurde. Schüchtern trat der Wanderbursche ein und wunderte sich über die altertümlichen Trachten der Hochzeitsgäste. Wie er so zusah und sich verwunderte, kam die Braut auf ihn zu, forderte ihn zum Tanze auf und tanzte mit ihm. Darauf reichte sie ihm einen Krug mit perlendem Weine. Der Handwerksbursche tat einen kräftigen Zug, sah dann dem Tanze noch einige Zeit zu und setzte sich darauf draußen vor der Türe auf eine Steinbank nieder. Hier schlief er gar bald ein. Als er erwachte, war kein Wirtshaus

Empfohlene Zitierweise:
Friedrich Bernhard Störzner: Was die Heimat erzählt. Arwed Strauch, Leipzig 1904, Seite 054. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Was_die_Heimat_erz%C3%A4hlt_(St%C3%B6rzner)_054.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)