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58. Stolpen vor Einführung der Reformation.

Zur Zeit der Meißnischen Bischöfe wurden in Stolpen die beiden Stiftspatrone, der Evangelist Johannes und Donatus, Bischof zu Arezzo in Italien, „nebst ihrem Mitpatron“, dem heiligen Briccio, verehret. Außerdem standen noch viele andere Heilige hier in großem Ansehen. Besonders kam der ehemalige Meißnische Bischof Benno als angeblicher Wundertäter zu dieser Ehre. Er wurde 1523 vom Papste Hadrian VI. canoniciert und unter die Heiligen versetzt. Bischof Johann VII. von Schleinitz war deshalb selbst nach Rom gereist, um diese Heiligsprechung zu bewirken. Er erlangte es auch, daß ihm dieser Wunsch erfüllt wurde. Unter großem Gepränge ließ Johann VII. am 15. Juni 1524 die Gebeine Bennos erheben. Zu dieser Feierlichkeit hatten sich der Bischof zu Merseburg, die Herzöge Georg und Heinrich zu Sachsen nebst Prinzen und vielen Grafen und Herren eingefunden. Doch Benno, der Heiliggesprochene, sollte nicht allzulange in Meißen bleiben können. Im Jahre 1539 wurde die Reformation in Meißen eingeführt und zwar trotz heftigen Widerstrebens des Bischofs. Wer von den Geistlichen die Lehre des reinen Evangeliums nicht annehmen wollte, wurde durch Herzog Heinrich seines Dienstes entlassen. Der Bischof war nun darauf bedacht, wie er die „Heiligtümer“ als „sonderbare und hohe Schätze der Kirche“ retten könne. Daher ließ derselbe die Gebeine Benno’s, Donat’s Hirnschädel, einen Finger des „Heiligen Apostel Paulus“ und noch mehrere Reliquien nach dem Schlosse Stolpen in Verwahrung bringen. Hier blieben dieselben auch so lange, als die Bischöfe noch im Besitze Stolpens waren. Während der Carlowitz’schen Fehde kamen die erwähnten Reliquien freilich in große Gefahr. Der damalige Schloßkaplan, Nicolaus Gruner, schützte dieselben aber dadurch, daß er sie im Bettstroh versteckte. Von Stolpen aus kamen die Heiligtümer nach Wurzen und im Jahre 1567 nach München, wo sie sich heute noch befinden sollen.

Solange in Stolpen das Papsttum die Oberhand behielt, ging auch die Verehrung und Anbetung der genannten Heiligen in vollem Umfange vor sich. Ihnen zu Ehren wurden Messen, Seelbäder, Spenden, Brüderschaften und dergl. mehr gestiftet. So kam es auch, daß in Stolpen der Ablaßhändler Johann Tetzel sein Treiben wie nirgends anders hatte, obgleich der damalige Bischof Johann VI. von Salhausen kein sonderlicher Freund von ihm war. Wie an

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Friedrich Bernhard Störzner: Was die Heimat erzählt. Arwed Strauch, Leipzig 1904, Seite 133. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Was_die_Heimat_erz%C3%A4hlt_(St%C3%B6rzner)_133.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)