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„Luginsland“ trägt, würdig zur Seite gestellt werden; denn die Aussicht, welche er seinen Besuchern bereitwilligst erschließt, ist eine entzückende und weitumfassende. Schon aus diesem Grunde verdient der Kapellenberg bei Schmiedefeld Beachtung. Es gehen alljährlich viele Wanderer an ihm vorüber, ohne seiner zu achten, macht ja auch kein Wegweiser auf diesen Hügel besonders aufmerksam. Und doch verdient dieser Berg nicht bloß wegen der Fernsicht, die er bietet, einen Besuch, sondern auch wegen der geschichtlichen Erinnerungen, welche sich an ihn knüpfen. Ja, auch die Sage weilt am Kapellenberge; denn

„Die Sage wandelt sinnend durch’s Land von Ort zu Ort
Und pflanzt in ihrem Garten der Dichtung Blumen fort.
Sie flüstert in Ruinen, sie lauscht am Felsenhang,
In Hainen rauscht ihr Flüstern wie ferner Harfenklang.
Sie schwebt um stolze Burgen, sie weilt beim Halmendach,
Sie thront auf Felsensteinen, sie spielt am Waldesbach,
Sie hat sich mit dem Lande so liebendtreu vermählt,
Daß sie fast allerorten von alter Zeit erzählt.“ –

Um das Jahr 1100 breitete sich zwischen Dresden und Bautzen eine von Menschen fast noch unbewohnte Waldfläche aus, in der aber umsomehr Bären und Wölfe hausten; denn die meisten der Dörfer, welche sich heute in dieser Gegend mit ihren fruchtbaren Fluren ausbreiten, standen damals noch nicht. Auf großen Umwegen führte durch diese ausgedehnte Waldgegend von Dresden nach Bautzen eine uralte Straße über Pulsnitz. Das war die Heidenstraße. Zur näheren und besseren Verbindung der beiden erstgenannten Städte wurde in der Mitte des 12. Jahrhunderts ein neuer Verkehrsweg gebaut, welcher dieses einsame Waldgebiet mitten durchschnitt. Nun vereinsamte die alte Heidenstraße mehr und mehr, und der Hauptverkehr entwickelte sich auf der neuerbauten Landstraße. Dieselbe ward alsbald eine der verkehrsreichsten Straßen unseres Vaterlandes und ist es gewesen bis 1846, in welchem Jahre die neuerbaute Eisenbahnlinie „Dresden–Görlitz“ eröffnet wurde.

Nach Vollendung der neuangelegten Landstraße wurde auf einem dem Dorfe Schmiedefeld nahen Hügel, dem heutigen Kapellenberge, um das Jahr 1200 eine Kapelle erbaut. Zur Erbauung derselben hatte jedenfalls die neue Handelsstraße die Veranlassung gegeben, da man in früheren Jahrhunderten an verkehrsreichen Straßen und Wegen gern Kapellen errichtete, um dem Wanderer Gelegenheit zu bieten, seine religiösen Bedürfnisse befriedigen zu können. Es mögen darum einst hier oben manche Wanderer in frommer Andacht die Knie gebeugt und ihre Gebete verrichtet haben. Heute ist freilich von jener Kapelle nichts mehr zu sehen. Mit der Zeit ist sie verfallen und das Mauerwerk spurlos verschwunden. Vielleicht haben seiner Zeit die behauenen Steine Verwendung bei irgend einem Hausbau in Schmiedefeld gefunden. Heute weiß man kaum noch mit Sicherheit anzugeben, wo die Grundmauern der einstigen Kapelle gestanden haben. Auch kennt niemand das Jahr, in welchem das Kirchlein, das ein wundertätiges Marienbild enthalten haben soll, zerstört wurde oder verfallen ist. Nur der Name ist am Berge bis in unsere Tage haften geblieben.

Nun berichtet auch die Sage über ihn, und diese erzählt uns folgendes:

Im Innern des Kapellenberges ruht ein unermeßlicher Schatz, bestehend aus Gold und Edelsteinen. Derselbe wird von einem graubärtigen Männlein, einem Mönche, wie die Leute sich erzählen, bewacht. Der Schatz ist in einem hohen Gewölbe aufbewahrt, zu dem ein langer und weiter Gang führt. In manchen Nächten ist der Eingang zu diesem unterirdischen Gewölbe am Berge deutlich sichtbar. Wer ihn sieht, dem ist der Weg zum Glücke geöffnet. Von

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Friedrich Bernhard Störzner: Was die Heimat erzählt. Arwed Strauch, Leipzig 1904, Seite 180. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Was_die_Heimat_erz%C3%A4hlt_(St%C3%B6rzner)_180.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)