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Häufig soll aber der Luchs vorgekommen sein. Daher hat dieses Forsthaus wahrscheinlich auch einst seinen Namen erhalten. Die Sage weiß es freilich anders. Sie erzählt:

„Am Hochsteine befindet sich ein mit Steinen und Nadelholz bewachsener freier Platz, den jedermann ängstlich meidet, und den man die Luchsenburg nennt. Hier erbaute sich einst der Teufel, der gern in dieser Gegend jagte, ein Schloß, das er die Luchsenburg nannte und zwar zur Erinnerung daran, daß er hier einmal einen Luchs erlegte. In der erbauten Burg weilte der Teufel gern und trieb täglich sein Wesen in den umliegenden Wäldern, indem er mit seinem höllischen Hofstaate dem Weidwerke oblag. Die Seelen der Verdammten mußten dabei die Hunde und Treiber sein. Wagte sich jemand zu dieser Zeit in den Forst, dann büßte er seinen Vorwitz mit dem Tode, oder er wurde zur Strafe vom Teufel in ein Tier verwandelt. –

Nun lebte damals in derselben Gegend ein christlicher Ritter, genannt Hubertus, den man späterhin unter die Heiligen versetzt hat. Diesen verdroß das höllische Spiel des Teufels sehr, und er beschloß, demselben ein Ende zu machen. Da er nun selbst ein gar eifriger Nimrod war und daher alle Jagdstücklein wohl kannte, so machte er sich einmal am Tage Aegidi auf den Weg nach der Luchsenburg, nachdem er sich durch Fasten und Beten gestärkt und mit heiligem Weihwasser besprengt hatte. Als er nun von weitem die höllische Jagd heranlärmen hörte, lehnte er sich an einen alten Baum und sprach den Jagdsegen unter Schlagen des Kreuzes. Von diesem Augenblicke an war es mit dem Jagdvergnügen des Teufels aus, kein Hund stellte mehr einen Edelhirsch oder packte ein Wildschwein. Der beste Finder verlor die Spur, und wenn ja ein Stück Wild dem Teufel oder seinen Jägern in den Schuß kam, so prallten die Pfeile und Jagdspieße von dessen Haut ab, als wären dieselben mit Stahl gepanzert. Der Teufel tobte und lästerte gewaltig über das angebliche Ungeschick seiner Leute und Hunde. Einst trat ihm ein stolzer Zwanzigender in den Weg. Er richtete seinen sonst nie fehlenden Pfeil auf diesen. Aber kraftlos sank der Pfeil vor dem Hirsche nieder zur Erde, unversehrt drehte sich das Tier nach dem Jäger um und wendete ihm gleichsam spottend den Rücken. Da merkte der Teufel, daß er einen mächtigeren Gegner habe, der ihm einen Weidmann gesetzt, den er mit all seinen Teufelskünsten nicht bewältigen konnte. Er war betrogen. Da gab er die Jagd auf, schickte sein Gefolge zur Hölle und zertrümmerte wütend sein schönes Jagdschloß Luchsenburg, daß die Steine nach allen Ecken flogen und heute noch den westlichen Abhang des Sibyllensteines bedecken. Seit dieser Zeit hat sich der höllische Jäger niemals wieder in dieser Gegend blicken lassen, allein zur Erinnerung an die Tat des heiligen Hubertus wird allemal die Jagd am Tage Aegidi eröffnet.“[1]

Aus den Trümmern der zerstörten Luchsenburg sollen später Jäger in der Nähe ein Jagd- und Forsthaus errichtet haben, dem sie zur Erinnerung ebenfalls den Namen Luchsenburg gaben, welchen Namen dieses Forsthaus bis heute trägt. –


  1. Vgl. Dr. Gräße: Sagenschatz des Königreichs Sachsen, 1874, II. Bd., Seite 295, Nr. 887.[WS 1]

Anmerkungen (Wikisource)

Empfohlene Zitierweise:
Friedrich Bernhard Störzner: Was die Heimat erzählt. Arwed Strauch, Leipzig 1904, Seite 245. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Was_die_Heimat_erz%C3%A4hlt_(St%C3%B6rzner)_245.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)