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ab, und seitdem liegt das Häuschen auf der nördlichen Felsenspitze in Trümmern. Dieses Jagdschloß wurde von der Gräfin von Holzendorf zu Lichtenau im 18. Jahrhundert erbaut. Dasselbe bestand aus zwei Stockwerken. Zu dem obersten führte von außen eine Freitreppe, deren Reste noch deutlich vorhanden sind. Die inneren Wände der Ruine zeigen selbst noch Spuren von ehemaligen Freskogemälden. Im Jahre 1813 hielt der König von Preußen hier oben mit seinen Feldherren Kriegsrat. – Reges Leben herrschte in diesem Jagdschlößchen alljährlich am „Maria-Heimsuchungstage.“ An diesem Tage wurde auf dem Augustusberge ein großes Scheibenschießen abgehalten. Die Schloßbesitzer von Oberlichtenau spendeten als Geschenk für den besten Schützen einen silbernen Becher, der mit dem Wappenbild jener Herren gezieret war. Auch schenkten sie Geldmünzen und Gebackenes. Letzteres warfen die Spender von dem aufwärts zum Jagdschlosse führenden Gange unter das unten versammelte Volk. Aus meilenweiter Ferne kamen Schützen und Zuschauer zu diesem beliebten Feste. Die Bewohner in der ganzen Umgegend freuten sich schon lange vorher auf diesen Tag, auf das Bergfest. An diesem Freudentage war der ganze Berg förmlich lebendig. Die hier oben versammelten Menschen zählten manchmal nach Tausenden. Man glaubte, auf einem großen Jahrmarkte zu sein. Zelte und Buden waren aufgeschlagen. Musikanten spielten, fahrende Sänger traten auf.

Die südliche Felsenspitze trägt einen aus Balken hergestellten Aussichtsturm. Derselbe wurde zum Zwecke der mitteleuropäischen Gradmessung errichtet. Eine bequeme Treppe führt hinauf. Die Aussicht von hier oben aus ist geradezu überraschend, und man versteht es, warum in früheren Zeiten die Leute aus der Umgegend so gern nach dem Keulenberge wallfahrteten und warum sie diese Höhe auch heute noch an gewissen Tagen im Jahre so gern aufsuchen, z. B. am Himmelfahrtstage. Nach Norden hinaus schweift der Blick in eine fast endlos erscheinende Ebene. Viele Meilen weit sieht das Auge in’s „Preußische“ hinein. Ein scharfes Auge erkennt die Türme von Lübbenau im Spreewalde. Nach Osten hin erblickt man die Höhen um Kamenz. In südlicher Richtung liegen der 458 Meter hohe Sibyllenstein, der Ohorner Steinberg, ferner die Bergstadt Stolpen mit der romantischen Burgruine, die Sächsische Schweiz, der langgestreckte Kamm des Erzgebirges. Nach Westen zu überblickt man das Waldmeer der Dresdener Heide, das am Buchberge liegende Städtchen Königsbrück und die dunklen Waldungen um Radeburg und Moritzburg. Es ist ein wundervolles Landschaftsgemälde, das der Keulenberg bereitwilligst jedem Besucher zeigt, vorausgesetzt, daß der Berg nicht gerade seine Nebelkappe sich aufgestülpt hat. Ist die Luft klar, dann schweift bei solchem Wetter das Auge sogar bis in die Oschatzer Gegend, und deutlich tritt am westlichen Horizonte der Kolmberg hervor. Ueberwältigend ist der Sonnenauf- und Untergang. Wer Gelegenheit gehabt hat, diese vom Keulenberge aus je beobachtet zu haben, der wird diesen Anblick nie wieder vergessen.

Am Fuße dieses Aussichtsturmes steht seit dem Jahre 1899 das Bismarckdenkmal, das an den ersten Kanzler des neuen deutschen Reiches erinnern soll. Am 10. September 1899 wurde dieses Denkmal feierlichst enthüllt. Trotz des regnerischen Wetters hatten sich doch viele Festteilnehmer hier oben eingefunden. Nachmittags 4 Uhr nahm die Enthüllungsfeierlichkeit ihren Anfang. Nach einem „Kanonenschlage“ spielte die Musikkapelle einen stimmungsvollen Marsch. Hierauf ergriff Herr P. Dr.

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Friedrich Bernhard Störzner: Was die Heimat erzählt. Arwed Strauch, Leipzig 1904, Seite 265. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Was_die_Heimat_erz%C3%A4hlt_(St%C3%B6rzner)_265.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)