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unheimliche Stille wurde urplötzlich unterbrochen durch das Wimmern und Schreien der Bewohner der Burglehnshäuser. „Nach Augenblicken brüllten dort Fluch und Verzweiflung. Verrat hatte die Burg geöffnet. Das vermauerte Schloßtor wurde von den Hussiten aufgebrochen, und unbemerkt waren sie von einer Seite, die man nicht mit Wachen besetzt hatte, da hier ein Eindringen des Feindes wegen der vorliegenden Burg unmöglich schien, in die Stadt gelangt.“ Als die Kamenzer bemerkten, was geschehen war, waren schon Tausende von Hussiten in die Stadt eingedrungen. Sämtliche Wachen wurden niedergemetzelt, die Schlafenden aus den Betten gerissen. „Weder Kind noch Greis, weder Mütter noch Jungfrauen fanden Erbarmen.“ Was nicht durch das Schwert der Hussiten umkam, fand in den Flammen das Ende; denn die Stadt wurde von den Feinden zuletzt noch an allen Ecken angebrannt. Ueber 1200 Leichen bedeckten die Gassen, die Wohnungen und die Stufen der Altäre; denn auch die in die Gotteshäuser Geflüchteten wurden nicht verschont. Es war von den Hussiten wiederum eine schreckliche Bluttat verübt worden. Von den Ratsherren der Stadt blieben nur vier am Leben. Der Jammer war groß. Als die hussitischen Mordbrenner endlich abzogen, glich Kamenz einem rauchenden Schutthaufen, bedeckt mit Hunderten von Leichen. Die in der Gefahr entkommenen Bürger kehrten, nachdem die Hussiten die Kamenzer Gegend endlich verlassen hatten, in die Trümmerstadt zurück. Nur langsam erhoben sich die Häuser von neuem. „Der Landesherr, König Sigismund, welcher in Ungarn gegen die Türken kämpfte und zugleich durch innere Feinde beunruhigt wurde, gab der niedergedrückten Stadt Kamenz 1431 dadurch einen Beweis seiner Teilnahme, daß er auf dem Reichstage zu Nürnberg derselben das Anlegen eines Zolles gestattete. Bruso von Kamenz und dessen Mutter, welche, im Besitze der Burg, den Hussitensturm erlebt hatten, verkauften diesen ihren Erbsitz 1432 an die Stadt Kamenz, wodurch die Herrschaft über das Kamenzer Ländchen für das Geschlecht derer von Kamenz aufhörte und von nun an im Namen des Königs durch den Kgl. Landvogt in Budißin gehandhabt wurde.“ – Die Bürger trugen das ihnen verhaßte und gegen 500 Jahre alte Felsenschloß, die Burg von Kamenz, kurze Zeit darauf ab; denn diese Feste hatte der Stadt „zahlloses Ungewähr“ und endlich die hussitischen Mordbrenner zugezogen. Auf den Trümmern der Burg steht heute das schöngelegene Schloßrestaurant, von dem man einen entzückenden Ausblick in das Elstertal und auf die stattliche Hauptkirche von Kamenz hat. Reste von Wällen sind noch deutlich wahrzunehmen. Als im Jahre 1818 ein Felsenkeller am Schloßberge „aufgegraben“ wurde, fand man einen verrosteten Torschlüssel, den man noch heute aufbewahrt und für den ehemaligen Schlüssel zur Burg Kamenz hält. – An die Hussitenzeit erinnert eine Inschrift über der Eingangstüre zum Schloßrestaurant. Diese Inschrift lautet:

Am Schloßberg prangt’ in Ritterzeit,
Der Herrn von Kamenz Herrlichkeit,
Als herzog der Hussiten Macht,
Da ward das Schloß zu Fall gebracht.
 Anno: 1432.

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Friedrich Bernhard Störzner: Was die Heimat erzählt. Arwed Strauch, Leipzig 1904, Seite 292. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Was_die_Heimat_erz%C3%A4hlt_(St%C3%B6rzner)_292.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)