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das Elend zu mildern und den Wiederaufbau der Stadt zu erleichtern. Mit Rat und Tat stand er den Bürgern bei, er ordnete an, die Straßen breiter anzulegen und die Häuser weiter und fester zu errichten. Auch gab er Anleitung, zur Aufführung der öffentlichen Gebäude. So wurde Kamenz nach einigen Jahren ein gar freundlicher Ort. Ueber alle Gebäude ragten hervor das große und getürmte Rathaus und die aus riesigen Granitquadern errichtete Stadtkirche, die noch heute berechtigte Bewunderung erregt. Das damals errichtete Rathaus wurde bei dem letzten Brande von Kamenz am 4. und 5. August 1842 ein Raub der Flammen. Rings um die Stadt führte eine 2–4 Meter starke Mauer mit einer Anzahl stattlicher Befestigungstürme. Der menschenfreundliche Burggraf Burghardt verminderte die ihm zu zahlenden Abgaben der Bürger, er gewährte den Bewohnern mehr Freiheit in vielen Dingen und verlieh der Stadt große

Hauptkirche zu St. Maria.

Gerechtigkeiten. Es bildeten sich ferner mehrere Innungen, so entstanden die Bäcker-, Fleischhauer- und Schuhmacherinnung. Das Handwerk blühte sichtlich empor. – Außerhalb der Ringmauer durfte kein Bier gebraut werden, und so waren die meisten Dörfer in weitester Umgegend gezwungen, das nötige Bier in den Brauereien zu Kamenz zu holen. Und das betraf gar viele Ortschaften; denn die Grenze des Kamenzer Gebietes reichte damals sehr weit. Die Grenze desselben bezeichnete in jener Zeit die Pulsnitz von ihrer Quelle bis Lichtenau, ferner lief die Grenze zwischen Königsbrück und Glauschnitz hin, bei Bonickau und Linz vorüber, nach Ortrand und Lindenau. Hier verließ die Kamenzer Grenze die Pulsnitz, wandte sich gegen Ruhland nach der Schwarzen Elster und nach Senftenberg, lief stromaufwärts, wich nach Schönau hin ab, um über Rallwitz und Crostwitz wieder nach der Schwarzen Elster zurückzuführen und die Quelle der Pulsnitz zu erreichen. Durch diesen Bierzwang wurden die Kamenzer Bierbrauereien sehr gefördert, und das Bier erhielt einen bedeutenden Ruf. Innerhalb des Kamenzer Grenzgebietes durfte nur solch Bier verzapft werden, das in Kamenz gebraut worden war. Wegen dieser großen Begünstigungen, welche der Burggraf Burghardt der Stadt Kamenz und ihren Bürgern verliehen hatte, strebte mancher auswärts Wohnende darnach, Bewohner von Kamenz zu

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Friedrich Bernhard Störzner: Was die Heimat erzählt. Arwed Strauch, Leipzig 1904, Seite 294. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Was_die_Heimat_erz%C3%A4hlt_(St%C3%B6rzner)_294.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)