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150 Zentimeter (70–80 Zoll!) und mochte von einem 60–70jährigen Menschen herrühren. Die Schädelbildung war eine eigenartige. Die Stirne war niedrig. Die beiden Kiefer waren stark gekrümmt und zeigten ein stark entwickeltes Gebiß mit sehr abgekauten Zahnkronen. Die Jochbeine ragten auffallend weit hervor. Ein Anatom erklärte diese eigenartige Schädelbildung für eine mongolische. Nach seiner Ansicht rühre das aufgefundene Skelett von einem Hunnen oder Avaren her.

Auch Knochen von Rindern und Haustieren wurden an das Tageslicht befördert, ferner angeschmolzene Lanzenspitzen und andere Eisenteile, auch hartgebrannte, wenig glasierte Gefäßbruchstücke. Nach der Masse und den einfachen Verzierungen zu schließen, stammen die letzteren Gegenstände aus der späteren Heidenzeit. Ganz unten stieß man auf einen Boden von festgeschlagenem Lehm.

Entschieden hat die Schanze bei Göda einst als Opferplatz und Festung gedient und zwar viele Jahrhunderte, ja vielleicht Jahrtausende hindurch. Weitere Nachgrabungen würden sicherlich ebenfalls nicht ohne Erfolg sein und noch manches Interessante zu Tage fördern und zwar zur weiteren Aufklärung.


139. Der Ratschin bei Schmölln.

Eine kleine Wegstunde östlich von Bischofswerda entfernt liegt das von bewaldeten Höhen umrahmte Kirchdorf Schmölln, das seit einer Reihe von Jahren weithin im Sachsenlande bekannt ist durch seine großen Granitsteinbrüche. Nördlich von diesem Dorfe, hart an der Demitzer Grenze, erhebt sich eine bedeutende Anhöhe, die sonst ganz mit Wald überdeckt war. Mitten auf jener Höhe befinden sich die Reste einer uralten Verschanzung, ein unregelmäßiger, ovaler Wall von etwa 180 Schritten Umfang und einer Höhe von 2–3 Meter. Gestrüpp, zahlreiche größere und kleinere Felsstücken bedeckten einst Wall, Graben und Kessel. –

Im Volksmunde bezeichnet man diese Stätte auf der erwähnten Höhe als den „Ratschin“. Dieser Name ist verwandt mit dem böhmischen Worte Hradschin und bedeutet so viel als Burg. Nach Preusker wird das Wort Ratschin auch als Formation vom wendischen Worte rod, rodzin erklärt und bedeutete ursprünglich Umzäunung, Hag, Einfriedigung, dann auch einen festen, umwallten Ort, eine Burg. Das Wort rod erscheint als urverwandt mit dem altgermanischen gard = Einfriedigung, Burg, wovon sich noch unser Wort Garten (Hürde, Horde), erhalten haben soll. Die Wenden um Bautzen und Löbau nennen die uralten Ringwälle in jener Gegend meistens hrodzisko und hrodzischezo und mit Weglassung des h, wie sie im dortigen Dialekte gewöhnlich vor einem zweiten Mitlaute erfolgt, rodzischczo oder auch rodzischko. –

Der Name Ratschin spricht also dafür, daß diese Anhöhe zwischen Schmölln und Demitz in grauer Vorzeit ein Ort war, da die Umwohner in Kriegszeiten sich aufhielten und auch gegen etwaige feindliche Angriffe sich verteidigen konnten. In jenen Tagen war diese Gegend noch mit weitsausgedehnten

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Friedrich Bernhard Störzner: Was die Heimat erzählt. Arwed Strauch, Leipzig 1904, Seite 305. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Was_die_Heimat_erz%C3%A4hlt_(St%C3%B6rzner)_305.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)