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Felsen-, Wald- und Berggebilden abgestumpft wurde, ein süßes Wohlbehagen bereitet, welches ihm die Gegend schön finden läßt. Sie gleicht sehr einer der vielen Thüringer Partien, die durch ihre Anmut das Herz mit stillem Entzücken erfüllen.

Vom Bahnhofe Demitz-Thumitz aus kommen wir in zehn Minuten an das Rittergut Thumitz. Wir treten ein in den großen Obstgarten, den gutgehaltene Kieswege durchschneiden. Wohlgepflegte Taxushecken mit Pyramiden und lauschige Lauben erfreuen das Auge. Im westlichen Teile dieses Gartens befindet sich, unter schönen Trauereschen versteckt, hinter dem großen Stallgebäude ein einsames Grab. Ein grünbesetzter Grabhügel läuft von Süden nach Norden. Am Südende dieses Hügels steht auf einem Unterbau von Granitsteinen ein schlichtes Denkmal aus Sandstein. Aus einer quadratischen Sandsteinplatte erhebt sich eine abgebrochene Säule mit grauweißem Anstrich. Das Grabdenkmal ist gegen 2 Meter hoch und trägt auf der Nordseite folgende Inschrift:

Hier ruhet die Asche
von
Wilhelm Waldeck,
der als Hauptmann im vormal. westphälischen Heere in einem Gefecht am 23. September 1813 einen frühen Tod fand, geliebt von Allen, die ihm nahe standen.

Diesen Stein setzte seine trauernde Mutter, deren Tränen nach 12 Jahren noch nicht versiegt waren.“

Nach Errichtung dieses Denkmales wurde alljährlich an den Besitzer des Rittergutes Thumitz ein Dukaten gesandt, den derselbe seinem Jäger für Instandhaltung des einsamen Grabes übergab. Als diese Geldsendung nach einer Reihe von Jahren ausblieb, konnte man wohl annehmen, daß die trauernde Mutter diese Welt verlassen und mit ihrem auf fremder Flur begrabenen Sohne vereinigt worden sei. Das Grab des Wilhelm Waldeck ist aber durch den Tod der trauernden Mutter nicht verfallen. Es wird heute noch wie ehedem gepflegt.

Ueber die Entstehung schreibt der Lehrer em. Johann Traugott Mutschink in Demitz-Thumitz in der belletristischen Beilage zum sächs. Erzähler vom 15. Februar 1902 wörtlich folgendes:

„Ein in Thumitz damals lebender Augenzeuge hat mir einige Notizen über den einsamen Schläfer gegeben und über Ereignisse, die sein Ende herbeiführten.

Napoleon hatte in Schlesien immer mehr Terrain verloren, seine Herrschaft war dort als beendet anzusehen, als auch die letzten französischen Truppen daraus vertrieben und nach Sachsen verdrängt worden waren. Blücher rückte mit der verbündeten russisch-preußischen Armee immer weiter nach Budißin und einzelne Heeresabteilungen noch weiter bis Pulsnitz und seitwärts Bischofswerda’s vor. In der Nähe von Neustadt standen die Oesterreicher, und die Verbündeten hatten nicht übel Lust, Napoleon selbst in seinem Hauptauartiere zu Harthau einzuschließen und im September 1813 gefangen zu nehmen. Diesen Plan hatte er nämlich durchschaut, auch sollen ihm die genau voraus bestimmten Bewegungen der Verbündeten bekannt geworden sein, weshalb sich Napoleon genötigt sah, die Oesterreicher unter dem General Neipperg vom 5. Armeekorps, welches Lauriston befehligte, angreifen zu lassen. Dies geschah am 23. September. Die Oesterreicher zogen sich in größter Ordnung nach Böhmen zurück. Zu derselben Zeit sollten auch die Russen, welche ein großes Lager zwischen Thumitz (Wölkau,

Empfohlene Zitierweise:
Friedrich Bernhard Störzner: Was die Heimat erzählt. Arwed Strauch, Leipzig 1904, Seite 368. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Was_die_Heimat_erz%C3%A4hlt_(St%C3%B6rzner)_368.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)