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Kannewitz) und Rothnauslitz inne hatten, angegriffen und zurückgedrängt werden. Westphalen waren es, welche zuerst in Demitz und Thumitz erschienen, aber bereits das anzugreifende Lager leer fanden. Die Bewohner von diesen beiden Orten hatten sich größtenteils in den Dickichten des Klosterberges verborgen, von wo aus man das ganze russische Lager übersehen konnte. Am 22. Abends vernahmen sie im russischen Lager Signale, die zum Rückzuge aufforderten, und bald war das ganze Lager bis auf die Nachhut geräumt. Nachdem sich das Hauptkorps bis Göda und hinter Rothnauslitz still und geräuschlos zurückgezogen, war scheinbar im Lager alles beim alten geblieben. Die Baracken standen, Rauchsäulen stiegen empor, und Wachtfeuer wurden unterhalten. In den nahen Gebüschen im Tale aber lagen russische Vorposten oder die Nachhut versteckt. Am 23. Vormittags stiegen noch gewaltige Rauchsäulen aus dem Schornsteine der Thunitzer Mühle, wo die Russen eine Bäckerei errichtet hatten. (In Medewitz wurde das zusammengeschleppte Getreide gedroschen und in Rothnauslitz gemahlen.)

Die ankommenden Feinde fanden noch einen Backofen voll frischen Brotes, das sie sich ohne weiteres aneigneten. –

Der Führer der westphälischen Infanterie, welcher diesen französischen Vortrab befehligte, ritt einen Schimmel und war der Hauptmann Wilhelm Waldeck. Kaum waren sie hinter den Gebäuden des Rittergutes angekommen, als man einzelne Schüsse vernahm, die von den im Gebüsch versteckten Russen kamen und von den Westphalen Erwiderung fanden. Nur wenige Schüsse waren gewechselt worden, als der Schimmel sich bäumte, seinen Reiter abwarf und durch Fortgallopieren bald unsichtbar wurde. Der Hauptmann Waldeck war zu Tode getroffen vom Pferde gesunken und hauchte, umgeben von seinen Leuten, sein Leben aus. Dann brachten sie ihn in den Rittergutshof und baten um einen stillen Platz zum Begräbnis für den geliebten Vorgesetzten, was auch bereitwilligst gewährt ward.

In eine zum Sarg umgewandelte Krippe wurde der Gefallene gelegt und dort beerdigt, wo sich jetzt das oben beschriebene Denkmal erhebt.

Nach einem nur kurzen Gefechte verließen die französischen Truppen und auch die Westphalen die hiesige Gegend für immer; doch hatten die letzteren das versteckte Vieh der Thumitzer (man sagt durch Verrat) ausgekundschaftet und als gute Beute mit fortgenommen.

Möge Gott unser Land vor ähnlichen Kriegsereignissen gnädiglich bewahren und besonders unser deutsches Vaterland vor einer solchen Schmach behüten, daß Deutsche gegen ihre eignen Sprachgenossen auf den Befehl eines fremden Machthabers kämpfen müssen. Das „einsame Grab“ erinnert an eine solche Schmach und an vielfach damals geschlagene Wunden. Doch die alles heilende Zeit hat die Wunden vernarbt, und die Segnungen unseres reichen Gottes haben auf unseren Fluren alle Spuren jenes Krieges verwischt.“ –


Bemerkung: Johann Traugott Mutschink wirkte in Demitz-Thumitz über 40 Jahre als Lehrer. Er starb am 24. Januar 1904 als Lehrer em. und liegt auf dem Kirchhofe in Demitz-Thumitz begraben. Mutschink war schriftstellerisch sehr tätig und dadurch bekannt in den weitesten Kreisen.

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Friedrich Bernhard Störzner: Was die Heimat erzählt. Arwed Strauch, Leipzig 1904, Seite 369. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Was_die_Heimat_erz%C3%A4hlt_(St%C3%B6rzner)_369.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)