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175. Der Drohmberg.

Eine gute Wegstunde westlich von dem alten Götterberge Czorneboh liegt der Drohmberg, vielfach auch der Kronenberg oder der Thronberg genannt. Ihn umrahmen im weiten Umkreise die Ortschaften Hainitz, Rascha, Ebendörfel, Binnewitz, Mehltheuer und Kleinkunitz. Seinen Abschluß findet er oben in einer steilen und dichtbewaldeten Kuppe, die nach Ebendörfel zu plötzlich schroff abfällt. – Auf dem Drohmberge zeigen sich Ueberreste einer steinernen Terrasse. Eigenartig gestaltete Felsgebilde ragen hervor und die Sage hat hier ihren Thron errichtet. Zu der Zeit, als das Wendentum mit dem Deutschtume um die Herrschaft sich stritt, saßen hier oben einst sieben Wendenkönige und klagten über das Schicksal ihrer Volksgenossen und über den harten Druck von seiten der Deutschen. Sie beratschlagten über das fernere Geschick des Wendenvolkes. Einstimmig beschlossen sie, noch einmal gemeinsam den vordringenden Deutschen sich entgegenzuwerfen und zwar an der Spitze ihrer Getreuen, um das Joch der Fremdlinge abzuschütteln oder um zu sterben. Es kam zu einer heißen Schlacht am Drohmberge. Aber der Kampf fiel für die Wenden unglücklich aus. Alle sieben Wendenkönige fanden in dieser Schlacht den Tod. Oben auf dem Drohmberge wurden sie von ihren Untertanen feierlichst zur letzten Ruhe gebettet. Die goldenen Kronen gab man ihnen mit in die stille Gruft. Auf ihre Gräber wurden große Steinblöcke gewälzt, die mit der Zeit in die Erde einsanken. Jene eigenartig gestalteten Felsgebilde, welche noch heute auf dem Drohmberge hervorragen, sind die den im Kampfe um ihre Freiheit gefallenen Wendenfürsten errichteten Grab- und Denksteine. Die goldenen Kronen sind aber so tief in das Innere des Berges versunken, daß sie niemand mehr finden kann. Dazu werden sie auch von den bösen Geistern bewacht. In manchen Nächten aber liegen die goldenen Kronen jener sieben Wendenfürsten oben auf der Kuppe des Drohmberges und leuchten weit in das Wendenland hinein wie strahlende Sterne. Wenn jemand aber der Höhe sich naht, dann hüllt der Berg sich plötzlich in das nächtliche Dunkel, und man findet weder Weg noch Steg. –

Vom Drohmberge aus hat man einen herrlichen Blick auf die alte Wendenhauptstadt Bautzen und auf die mit Dörfern übersäete wendische Ebene. Die sieben Wendenfürsten konnten von hier oben aus ihre Reiche überschauen. – Von Bautzen führt fast bis an den Fuß des Drohmberges eine schnurgerade Landstraße. Die nächsten Bahnstationen sind Singwitz und Großpostwitz. –

Den Drohmberg nennt man auch noch den Traumberg und Frageberg. Der letzte Name spricht dafür, daß diese Höhe in altheidnischer Zeit ein Orakel besaß. Priester und Priesterinnen, die auf dem Drohmberge wohnten und hier oben den Göttern Opfer darbrachten, enthüllten den Fragenden die Zukunft.

Empfohlene Zitierweise:
Friedrich Bernhard Störzner: Was die Heimat erzählt. Arwed Strauch, Leipzig 1904, Seite 408. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Was_die_Heimat_erz%C3%A4hlt_(St%C3%B6rzner)_408.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)