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194. Das wundertätige Marienbild in Neustadt.

Vor Jahrhunderten war Neustadt ein berühmter Wallfahrtsort. Die alte Stadtkirche, mit deren Abbruche am 27. März 1883 begonnen wurde, enthielt in früheren Zeiten ein hölzernes Marienbild. Dasselbe war auf dem vom Hause Burkersdorf gestifteten Sankt Barbara-Altare aufgestellt und stand in großem Ansehen. Man schrieb diesem Marienbilde geheimnisvolle Kräfte zu. Weit und breit erzählten sich die Gläubigen von der Wunderkraft dieses Bildes. Nach dem Bilde wallfahrteten die frommen Katholiken und erwarteten von ihm Hilfe in allerlei Nöten. Selbst aus weiter Ferne kamen die Frommen nach Neustadt. – Das Bild brachte der Stadt viel Geld ein; denn die Opfergaben flossen reichlich. Besonders groß war die Einnahme der hier angestellten Meßpriester. Oftmals soll die Kirche viel zu klein gewesen sein, all die Wallfahrer zu fassen. Hunderte warteten draußen auf den Augenblick, vor dem Wunderbilde knieen und beten zu können.

Die alte Bürgerschule in Neustadt.

An jene Zeit erinnerte noch bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts eine Geldabgabe, die bis dahin der jeweilige Diakonus von Neustadt an die Neustädter Kämmereikasse jährlich zu entrichten hatte. Das wundertätige Marienbild in der Neustädter Kirche wurde nämlich auch von Pilgern besucht, die jenseits des Elbstromes wohnten. Zu Wendischfähre, unterhalb Schandaus, setzten diese gewöhnlich über die Elbe. Damit nun jene Wallfahrer hier in Wendischfähre kein Fahrgeld für das Uebersetzen zu entrichten brauchten, so wurden von Neustadt jährlich 21 Groschen für die Frühmesse gezahlt.

Nach der Einführung der Reformation in Neustadt wurde das wundertätige Marienbild aus der Kirche entfernt und in dem im Jahre 1885 abgebrochenen

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Friedrich Bernhard Störzner: Was die Heimat erzählt. Arwed Strauch, Leipzig 1904, Seite 450. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Was_die_Heimat_erz%C3%A4hlt_(St%C3%B6rzner)_450.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)