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Franz Werfel: Wir sind. Neue Gedichte.

Die Alternde

Dies Lachen! Weh mir, wie kams um deinen Mund?
Was lebt in deinen Wangen enttäuscht und neu?
Tanz verließ deine Glieder ungetreu.
Hart und bitter gehst du durch diese Stund.

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Was ist uns, sprich, vorbei?


Mädchen, die unbekümmerte Wolke ist hin,
Mädchen ist hin, die dich trug.
Dein Gehn ist nicht mehr Glorienflug.
Aus deinen Augen spitzt Wissen und Sinn

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Um Jammer und Haß und Betrug.


Kind, deine Schönheit von anderer Welt,
Wo ist sie? Erde hat sich gerächt!
Weh tiefe Augenränder! Hier quält sich das dürftge Geschlecht,
Mühselig vor Hebel und Rad gestellt,

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Verdirbt dich und macht dich schlecht.


Deine Wimpern kennen die Frage nun,
Nach Kindern, die elend und barfuß gehn.
Du kannst alles halten, mußt alles tun,
Du fliehst nichts, nichts flieht dich,

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Du wirst es verstehn.

Du bist nicht mehr göttlich!
– Wir können dich ansehn.

Empfohlene Zitierweise:
Franz Werfel: Wir sind. Neue Gedichte.. Kurt Wolff Verlag, Leipzig 1913, Seite 17. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Werfel_Wir_sind_1913.pdf/17&oldid=- (Version vom 1.8.2018)