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Franz Werfel: Wir sind. Neue Gedichte.

Ängstlich ruft er viele Male

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Bis er in der Küche steht.

In der Küche, wie in eines Hofes Mitten,
Ohne Fenster und Gerät...
Nur vom Uhren-Wächtergang beschritten.
Ruft erst ängstlich, dann erregt, (wie ahnte er) und sucht nach einem Feuerstrahle.

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Mit der Kerze in das kleine

Zimmer tritt er zitternd ein.
Jene Alte sieht er schlafen, schlafen in dem Bergland ihrer Kissen.
Und er kann nicht schrein,
Glaubt zu träumen, stampft und will nichts wissen.

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Aber alles ruht und nur ein Schatten tanzt im Kerzenscheine:


(Tote haben allerorten
– Kleine Kinder, alte Fraun –
Weit sich über uns erhoben, ja erhoben, liegen sie dahingestreckt.
Niemand wagt es hinzuschaun.

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Und vor Toten hast du mehr Respekt,

Als einst vor dem dunkeln Lehrer mit den bösen Worten.)

Und er wurde so verlegen
Und er war so ungeschickt,
Sollte er ihr Herz behorchen, Leute wecken?

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Doch er hat nicht hingeblickt,

Schamvoll wollt er fliehn und sich verstecken.

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Franz Werfel: Wir sind. Neue Gedichte.. Kurt Wolff Verlag, Leipzig 1913, Seite 39. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Werfel_Wir_sind_1913.pdf/39&oldid=- (Version vom 1.8.2018)