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Franz Werfel: Wir sind. Neue Gedichte.

Eine alte Vorstadtdirne

Wo des letzten Bahnhofs Schienen schwellend in das Fahle führten
Und der Frost von eisernen Gerüsten klang,
Wo in den geahnten Wassern unter Brücken sich die Lichter rührten
Und der Menschenschatten Überschwang,

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Kamst Du mir mit schlechtem Wink entgegen

Und ich folgte Dir den hohlen Quai entlang.

Jene Kammer und die Wärme, die uns scheußlich faßte,
War erfüllt von widrigem Geröll und Polsterfall.
Nur ein Kinderbildchen, das an einem Spiegel blaßte,

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War wie Seele zart und überall.

Und Du lachtest, und mein Lachen
Klang als ausgewitzter Widerhall.

Was Du sprachst? – Nichts, als die so gewöhnlichen Geschicke,
Daß Du Kinder hast und einmal sitzen bliebst.

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Sprachst vom Kaiserschnitt – und auch von diesem Augenblicke,

Da Du Dich das erstemal durch Straßen triebst,
Daß Du fünfundzwanzig, und ein Jahr erst beim Geschäfte
Und noch immer jenen Schurken liebst.

Empfohlene Zitierweise:
Franz Werfel: Wir sind. Neue Gedichte.. Kurt Wolff Verlag, Leipzig 1913, Seite 45. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Werfel_Wir_sind_1913.pdf/45&oldid=- (Version vom 1.8.2018)