Seite:Westphälische Sagen und Geschichten 050.png

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Froh in dieser Hoffnung schreitet er immer rüstiger weiter, und kennt, in der hellen Nacht, zum ersten Male in seinem Leben, weder Furcht noch Zittern. Doch etwas beklommen wird ihm ums Herz, als er nun in die Nähe des berüchtigten Lutterberges kommt; alle Sagen die er nur in seinem Leben davon gehört hat, treten ängstigend vor seine Seele, und schnell wird seine Beklommenheit zur entsetzlichsten Angst; er setzt seine dürren Beine schneller vorwärts, sein Athem wird lauter, kurzer, heftiger, obgleich er sich ohne Unterlaß vornimmt, gar nicht aufzuathmen, um kein Wesen, todtes oder lebendes, durch das Geräusch aufmerksam auf seine arme Person zu machen; unaufhörlich sieht er bald hinter sich, bald scheu zu beiden Seiten, und doch fürchtet er, nur die Augen aufzuschlagen; noch ununterbrochener aber schlägt er andächtige Kreuze vor sich hin, bald große und langsame, bald kleine und geschwinde, je nachdem ihm seine Lage mehr oder minder gefährlich erscheint. Auf einmal, ganz in der Nähe des entsetzlichen Berges, der wie ein unendlich großer, drohender, alles verschlingender Riese vor ihm liegt, auf einmal hört er lautes Geräusch hinter sich; sein ganzer Körper erbebte, seine Beine schlotterten, seine Hände können das Kreuz nicht mehr schlagen, er kann nur noch den jammervollen Einfall verfluchen, mitten in der Nacht einen solchen Weg zu machen. Das thut er, und unwillkürlich kommt ihm dabei der Gedanke: Wäre statt deiner doch dein Weib hier! – Aber Er war da, und blieb da, und zwar allein und mitten in der Nacht, und ganz nahe an dem unheilvollen Berge, und noch näher bei einem eben so unheilvollen, schauerlichen, unerklärlichen

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H. Stahl alias Jodocus Temme: Westphälische Sagen und Geschichten. Büschler'sche Verlagsbuchhandlung, Elberfeld 1831, Seite 050. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Westph%C3%A4lische_Sagen_und_Geschichten_050.png&oldid=- (Version vom 1.8.2018)